© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Zorn auf der Zuschauertribüne
Christian Vollradt

Für diesen Montagmittag hatte man extra den großen Anhörungssaal im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus gewählt. Nicht weil der Petitionsausschuß plötzlich größer geworden wäre, sondern weil hier die Zuschauertribüne wesentlich mehr Personen Platz bietet – und schon zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode stößt eine öffentliche Sitzung des Gremiums auf ein den Normalrahmen sprengendes Besucherinteresse. 

Grund dafür ist die Petition Nummer 85565, laut der das Parlament die Bundesregierung auffordern soll, dem Globalen Migrationspakt der Vereinten Nationen nicht beizutreten und sich im September in der UN-Generalversammlung der Stimme zu enthalten. Daß sie veröffentlicht werden konnte, hatte der Ausschuß auf Antrag der AfD beschlossen (JF $9/18). Knapp 108.000 Mitzeichnungen hatte die Petition erhalten – und auf den nahezu restlos besetzten Zuschauerplätzen saßen ganz offensichtlich einige von ihnen. In einem Stadion hätte man die Stimmung dort als „aufgeheizt“ beschrieben; manche konnten den Wunsch, mitzudiskutieren vernehmber nicht im Zaume halten. Der Ausschußvorsitzende hatte das Publikum zu Beginn der Sitzung vergattert: Ruhe auf den Rängen, weder Beifalls- noch Mißfallensbekundungen sind erlaubt. Die wachsamen Beamten der Bundestagspolizei mußten mehrfach drohend den Zeigefinger heben, von weitergehenden Sanktionen blieben die Zornzuschauer jedoch verschont.

Wie anders die Situation auf dem „Spielfeld“ eine Etage tiefer. Unaufgeregt und sachlich trug der Hauptpetent Ludwig Englmeier seine Argumente gegen den Migrationspakt vor. Er zog in Zweifel, daß dieser den Interessen Deutschlands nütze und machte klar, daß obschon er keine rechtliche, der Pakt doch als möglicherweise in Völkergewohnheitsrecht übergehendes „soft law“ eine politische Bindung entfalten werde. Es entstünden laut Prognosen innerhalb der nächsten 50 Jahre Kosten in Höhe von fast einer Billion Euro für den Lebensunterhalt der Eingewanderten. Englmeier störte sich zudem an einer Ungleichbehandlung: Während der Migrationspakt den Zielländern zahlreiche Verpflichtungen gegenüber den Einwanderern auferlege, werde mit keinem Wort erwähnt, wozu diese gegenüber ihren Aufnahmegesellschaften verpflichtet seien.

Ebenso ruhig, geradezu äußerlich erkennbar staatstragend, antwortete Niels Annen (SPD) namens der Bundesregierung. Der Staatsminister erschien im Cutaway – er kam direkt vom Neujahrsempfang des Bundespräsidenten für das Diplomatische Korps. Deutschland verpflichte sich mit dem Pakt nicht zu Dingen, zu denen es nicht schon vorher verpflichtet sei, es gebe keine neuen Ansprüche auf Sozialleistungen, meinte Annen, und die Behauptung, man befördere Bevölkerungtransfers entbehre jeder Grundlage. 

Aufgrund der knapp bemessenen Zeit habe er sein Anliegen nicht sehr ausführlich erläutern können, bedauerte Englmeier im Anschluß gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Sein Rechtsbeistand Ulrich Vosgerau nannte es auffällig, daß der Petent weniger gefragt wurde als der Vertreter der Bundesregierung.