© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

Ein Reigen öffentlichen Hasses breitet sich aus
Tschechien: Glaubensgemeinschaften sollen Steuern auf Entschädigungen zahlen
Paul Leonhard

In Tschechien droht in den Beziehungen zwischen Staat und katholischer Kirche eine neue Eiszeit. Erneut geht es um die Entschädigung der von den Kommunisten enteigneten Kirchen und Religionsgemeinschaften. Ein Streit, der die überwiegend an keine Religionsgemeinschaft gebundenen Tschechen seit Anfang der 1990er Jahre spaltet.

Während eine Eigentumsrückgabe oder Entschädigungszahlung an die ab 1945 vertriebenen tschechischen Staatsbürger deutscher Nationalität nie zur Debatte stand, beschlossen die 2012 regierenden Konservativen die Rückgabe von 56 Prozent der verstaatlichten Gebäude, Ländereien und Grundstücke. Für nicht mehr existierende Kirchen und Klöster sowie nicht mehr restaurierbare Liegenschaften sollten in den kommenden 30 Jahren umgerechnet rund 2,3 Milliarden Euro an Entschädigungsleistungen an die betroffenen Glaubensgemeinschaften – 80 Prozent davon an die katholische Kirche – gezahlt werden. Zuvor hatten diese die Rückgabe von etwa 100.000 Immobilien und Grundstücken beantragt.

Liberale und Kommunisten vereint gegen die Kirche   

Bereits Ende 2017 sorgten die Kommunisten mit ihrer Forderung für Aufregung, daß diese Entschädigungszahlungen mit 19 Prozent besteuert werden müßten. Ein Vorschlag, dem sich prompt die Sozialdemokraten und die Ano-Partei von Ministerpräsident Andrej Babiš anschlossen, machten die (KSCM) doch davon ihr Tolerieren der Minderheitsregierung abhängig. 

Ende Dezember hat die Steueridee, mit der sich der Staat immerhin 450 Millionen Euro zurückholen würde, in zweiter Lesung die vorletzte parlamentarische Hürde im Abgeordnetenhaus genommen. Die Endabstimmung ist für Ende Januar geplant. Es sei „ungeheuerlich, daß der Antrag auf Änderung eines Gesetzes, das sich um die Wiedergutmachung des historischen Unrechts bemüht, ausgerechnet von den Kommunisten eingebracht worden sei“, sagt Kardinal Dominik Duka, Erzbischof von Prag und Vorsitzender der Bischofskonferenz. 

Daß auch andere Politiker diesen nicht verfassungskonformen Vorstoß mittragen, weil eine Mehrheit der Tschechen laut Umfragen die Restitutionen ablehnt und deren nachträgliche Besteuerung begrüßt, sei „verantwortungslos“ und „politisch zynisch“, zitierte die Katholische Presseagentur Kathpress Duka: Im Windschatten der anhaltenden politischen Diskussionen über Fragen der Rückgabe des Kirchen und Religionsgemeinschaften geraubten Eigentums breite sich in Tschechien erneut „ein Reigen öffentlichen Hasses“ gegen diese Institutionen aus, die seit Jahren mit tief verankerten Vorurteilen und Stereotypen zu kämpfen hätten.

Ministerpräsident Andrej Babiš sei klar, daß letztlich das Verfassungsgericht in Brünn das Gesetz zur Besteuerung der Entschädigungen kippen wird, aber dieser suche „Unterstützung für seine Regierung kreuz und quer im politischen Spektrum“, erläutert Jaroslav Šebek vom Historischen Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften gegenüber dem Nachrichtendienst Östliche Kirchen (NOK): „In der tschechischen Gesellschaft sind das national-liberale und auch das kommunistische Narrativ tief verwurzelt; beide sehen vor allem die katholische Kirche als Bremse des gesellschaftlichen Fortschritts und der tschechischen nationalen Emanzipationsbemühungen an.“ 

Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2011 hatten sich nur 20,8 Prozent der Befragten zu einer Glaubensgemeinschaft bekannt. Als katholisch bezeichneten sich rund zehn Prozent.