© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Die Süddeutsche Zeitung hat Rosa Luxemburg aus Anlaß ihres 100. Todestags einen Leitartikel gewidmet; Überschrift „Rote Demokratie“. Leitmotiv des Textes von Joachim Käppner ist der am häufigsten zitierte Satz Rosa Luxemburgs: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“ Immerhin wird zugegeben, daß die Aussage nicht ohne ihren historischen Kontext – die Kritik an Lenins Terror – verstanden werden kann. Trotzdem tut Käppner alles, um davon abzulenken, daß Rosa Luxemburg niemals daran dachte, irgend jemandem außerhalb der Bewegung und des Proletariats Gedanken- und Meinungsfreiheit zuzugestehen: keinem Bourgeois, keinem Klerikalen, keinem Reaktionär, recte: keinem Liberalen, keinem Christen, keinem Konservativen. Übrigens ist die Vorstellung, daß sich zuerst durch seine Bekenntnistreue oder seine Klassenzugehörigkeit qualifiziert haben muß, wer den Mund aufmachen darf, der DNA linker Ideologie so tief eingeschrieben, daß sie bis heute nicht zu tilgen war.

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In der Zeitschrift Jeune Afrique erschien kürzlich ein Artikel der tunesischen Journalistin Fawzia Zouari mit dem Titel „Belgien wird arabisch enden“. Die Überschrift erklärt sich aus einem Gespräch mit einem Taxifahrer, der sie in Brüssel zu einer Konferenz gefahren hat, einem Landsmann, der ihr fröhlich schilderte, wie wohl er sich fühle, nicht zuletzt weil die Muslime auf einem guten Weg seien, die Mehrheit im Land zu werden. Er selbst habe vier Kinder, sein Nachbar, von Herkunft Marokkaner, habe sechs. Man erfülle das Gebot Allahs und fülle die Erde. Auf die Frage der Journalistin, warum er seine Heimat verlassen habe, kam die Replik, das habe er getan, um endlich in Ruhe leben zu können und seine Familie zu versorgen, in einem Land ohne Korruption. Als sie nachhakte, ob er meine, daß das auch noch in einem arabisch und muslimischen Belgien so sein werde, folgte irritiertes Schweigen.

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Die Journalistin, „Afro-Pariserin“, militante Feministin und Antirassistin Rokhaya Diallo hat eine Kampagne unter der Parole „Kiffe ta race!“ – etwa „Liebe deine Rasse!“ – lanciert. In Umlauf ist da auch der Slogan „Haben Weiße überhaupt eine Farbe?“ Man kann darin auch einen neuerlichen Beleg für die Regel sehen, daß jede Forderung nach Gleichheit eine nach Privilegierung kaschiert.

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Yves Cochet, Vertreter der französischen Grünen, ehemaliger Minister und gegenwärtig Europaabgeordneter, erklärte in einem Interview, daß schon aus ökologischen Gründen die Senkung der europäischen Geburtenrate nötig sei. Unser Lebensstandard im Westen sei schließlich hauptverantwortlich für die globale Umweltbelastung. Er nannte allerdings flankierend ein weiteres Argument: „Im übrigen erlaubte uns die Begrenzung unserer Geburten jene Einwanderer besser zu empfangen, die an unsere Türen klopfen.“

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Die Auseinandersetzung zwischen Präsident Trump und dem US-Kongreß könnte man auch als Paradebeispiel für Gewaltenteilung werten. Derlei geschieht, wenn Exekutive und Legislative tatsächlich unabhängig voneinander agieren.

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Mit Unterstützung der EU und Frankreichs hat das African Diaspora Youth Forum in Europe (Adyfe), eine Lobby junger Einwanderer aus den afrikanischen Ländern, die Bewegung „#Diasporavote!“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, möglichst viele Menschen mit einschlägiger Migrationserfahrung zur Stimmabgabe bei der kommenden Europawahl zu bringen und solchermaßen ein Gegengewicht zu den Populisten zu schaffen.

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Deutungsmacht hat, wer den Eindruck erweckt und aufrechterhält, daß seine Gegner keine Gründe haben.

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Bildungsbericht in loser Folge CXIX: Der Vorstoß des Philologenverbandes gegen die Inflation der Bestnoten ist verpufft. Das hat er mit vielen ähnlichen Bemühungen gemeinsam, die in unregelmäßigen Abständen gemacht werden, um die Leistungsstandards an deutschen Schulen wieder in Ordnung zu bringen. Der Hauptgrund dafür ist eine unheilige Allianz aus Politikern (die keine Wählerstimmen verlieren wollen und Bildungspolitik als Sozialpolitik betreiben), Pädagogen (die die notwendigen Konflikte scheuen, die auf das Erteilen von „5“ oder „6“ mit Vätern, Müttern oder den Vorgesetzten drohen), Eltern (denen es einfach nur um das bestmögliche Zertifikat für ihren Nachwuchs geht) und Meinungsmachern (die den Egalitarismus so tief verinnerlicht haben, daß ihnen allein der Gedanke an Begabungsunterschiede rassistisch erscheint). Dagegen steht nur ein kleines Häuflein aus Verantwortungsbewußten und Bei-Trost-Gebliebenen und denen, die am waidwunden Blick eines klugen Kindes leiden, dem schon wieder nichts beigebracht wurde.

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Die politische Mitte, das sind die, die uns sagen, daß man nichts machen kann.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 1. Februar in der JF-Ausgabe 6/19.