© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

Rivalen um Aufmerksamkeit
Dokumentarfilm: Michael Moores „Fahrenheit 11/9“ über Donald Trump
Sebastian Hennig

Nur bruchstückhaft erreichen uns die Signale, denen zu entnehmen wäre, was der gegenwärtige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika will. Er wird sonst vor allem als ein unübersehbarer Pappkamerad wahrgenommen. Vor dem finden sich die Medienschaffenden in wechselnden Pelotons zusammen, um ihre antiquierten Waffen anzulegen. Scharfschützen sind dabei nicht am Werk. Vielleicht liegt es an der Katerstimmung, die von den uneingelösten Verheißungen des vorigen Präsidenten Obama zurückgeblieben ist. Selbst der kritische Dokumentarfilmer Michael Moore scheint in Trump nun seinen Meister gefunden zu haben.

Moore fand große Beachtung mit den Dokumentationen über das besondere Verhältnis der Amerikaner zu Schußwaffen („Bowling for Columbine“, 2002) und zu den Verflechtungen von Krieg und Terrorismus im Umfeld des Anschlags vom 11. September („Fahrenheit 9/11“, 2004). Er ist freilich auch eher ein Knüppelschwinger als ein Florettfechter. An seiner manipulativen Arbeitsweise entzündete sich immer wieder Kritik aus dem eigenen Lager. Drei Wochen vor der Wahl kam sein Film „Michael Moore in Trumpland“ heraus. Der kam nicht nur bei denen, die sich naturgemäß darüber ärgern sollten, nicht gut an. Denn es ging weniger um Trump als um Moore selbst, der verzweifelt seinen Ruf als scharfzüngiger Kritiker zu wahren sucht, dem aber sein Thema immer wieder aus den Händen gleitet. Es muß an seinem neuen Hauptfeind liegen, dem er nun ein weiteres mal über volle zwei Stunden mit „Fahrenheit 11/9“ nicht wirklich beikommt.

Wenn Donald Trump vor großem Publikum den amerikanischen Traum für geplatzt erklärt, dann stößt er in das Horn, auf dem bisher Michael Moore zur Jagd geblasen hat. Nur macht er es weniger hysterisch. In die Entwicklung des Films platzte der Skandal um dessen Produzenten in spe Harvey Weinstein. Moore lenkte sich eine Weile mit einer Broadway-Show ab, ehe er die bislang am wenigsten erfolgreiche Produktion seiner Laufbahn fertigstellte. Der Titel spielt auf seinen Film „Fahrenheit 9/11“ von 2004 an. Der 9. November bezeichnet nun den Tag im Jahr 2016, an dem Trumps Wahlsieg nicht mehr zu leugnen war. 

Obama und Clinton werden bloßgestellt

Es beginnt recht schnittig mit einer wirkungsvollen Inszenierung der unerwarteten Kränkung der Trump-Gegner durch die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl. Ein Ereignis, dessen Unmöglichkeit die prominenten Wortführer der veröffentlichten Meinung noch am Wahlabend verkünden. Der Ausgang scheint ihnen völlig klar. Bei den Demokraten ist alles hergerichtet für eine triumphale Siegesfeier. Wie um den heiligen Geist der Demokratie zu empfangen, soll sich das gläserne Dach über den Versammelten öffnen, sobald die Präsidentin Hillary Clinton bestätigt ist.

Wesentlich bescheidener sieht es dagegen bei den Republikanern aus. Sie sind so kleinlaut, wie die anderen großsprecherisch sind. Die Hemmungen und Zweifel bleiben bei ihnen gegenwärtig auch nachdem der Sieg deutlich wird. Von Genugtuung ist nichts zu spüren, und der Ernst der Lage schlägt sie in den Bann. Die Gesichter der Clinton-Anhänger werden dagegen immer länger. So wird der Tag der Wahl des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten als eines der bedrückendsten Ereignisse in der Geschichte des Landes spürbar.

Michael Moore hält sich etwas darauf zugute, diesen Erfolg richtig vorhergesagt zu haben. Als er 1998 in einer Talkshow vor Trump die Waffen strecken mußte, hat ihm das zu denken gegeben. Viele Anspielungen des Films sprechen den amerikanischen Fernsehkonsumenten an, dem Trump auch oder vor allem als Entertainer bekannt ist.

Dabei ist gegen einen Spaßmacher, der es nun ernst meint, im Prinzip weit weniger einzuwenden als gegen Personen, die sich ernsthaft geben und dennoch frivol handeln. Dieser Erkenntnis vermag sich Moore auch nicht ganz zu verschließen. Und so bekommen die feindlichen Lieblinge weit mehr ihr Fett weg als der Lieblingsfeind. Obama und Clinton und überhaupt die Etablierten der Demokraten werden bloßgestellt und alle Hoffnung auf eine Bürgerbewegung in der Partei gesetzt.  

Trump wird von dem Film kaum direkt angegangen, sondern ihm indirekt über andere Personen ein Rassismus gegenüber Schwarzen und Latinos unterstellt. Die Trinkwasseraffäre in der Stadt Flint wird zu einem kalkulierten Mord an deren farbigen Einwohnern stilisiert. Gerade die präzise Schlüssigkeit, mit der diese These belegt wird, nährt die Zweifel an ihr. Die simple Pointe des Films ist die Zusammenführung von Donald Trump mit Adolf Hitler. Einer historischen Aufnahme des NS-Führers wird eine aktuelle Rede des US-Präsidenten unterlegt. 

Hier prallen zwei Marketing-Experten aufeinander. Bei der Frage, wem von beiden mehr an der Sache selbst gelegen sei, schneidet Moore nicht besonders günstig ab. Für Trump spricht, daß er auf jegliche Heuchelei verzichtet und sich keine Krokodilstränen abpreßt. Kein Kritiker vermag jemanden bloßzustellen, der sich ungeniert in seiner Blöße zeigt. Es kommen Zweifel an den Motiven des Films auf. Das Wall Street Journal schreibt, mit seiner neuesten Arbeit würde Moore die gewohnte Selbstvermarktung fortsetzen. „Seine Daseinsberechtigung ist Eigenwerbung. Einige könnten so weit gehen, daß sie ihn die linke Version von Donald Trump nennen.“


Kinostart am 17. Januar 2019

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