© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

Knapp daneben
Auf Bücher verzichten
Karl Heinzen

Wer heute noch Bücher schreibt, verlegt oder verkauft, sollte sich allmählich nach einer neuen Beschäftigung umschauen. Zwar konnte die Branche ihre Umsatzzahlen im vergangenen Jahr stabilisieren. Dies war jedoch allein gestiegenen Preisen zu verdanken, die man vorerst nicht noch weiter in die Höhe treiben kann. Tatsächlich sank die Zahl der abgesetzten Bücher erneut, diesmal um 2,3 Prozent. 

Nur um 2,3 Prozent, muß man sagen, denn es stellt sich die Frage, wer diese Unmengen von bedrucktem Zeug überhaupt noch braucht. Sicherlich gibt es immer mehr Rentner, die theoretisch die Zeit, die sie auf ihren Busreisen verbringen, auch dazu nutzen könnten, zu lesen. Sofern sie diese Entscheidung treffen, reicht jedoch zumeist ein Griff ins Regal, um sich all das vorzunehmen, was einem in den vergangenen Jahren geschenkt wurde, ohne daß man bislang dazu kam, es zu würdigen. Berufstätige haben nicht die Muße, sich mit einem Buch auseinanderzusetzen. Jugendliche müssen erst einmal bei Wikipedia nachschauen, was das überhaupt ist. Einwanderern, denen man zumutet, Deutsch zu lernen, darf man nicht auch noch abverlangen, ein Buch in dieser sterbenden Sprache zu lesen.

Sich Bücher demonstrativ ins Regal stellen ist keinen Deut besser, als angeberisch Porsche zu fahren

Kultur und Bildung sind aber nicht in Gefahr. In der Vergangenheit wurde schon so viel gedruckt. Das sollen die Menschen erst einmal lesen, bevor sie ihr Geld für Neuerscheinungen aus dem Fenster werfen. Alles was wirklich wichtig ist, kann man sowieso im Internet finden. Zudem hinterläßt jedes Buch einen ökologischen Fußabdruck. Selbst Titel, die vor dem Klimawandel warnen, heizen diesen weiter an. Wer auf den Kauf von Büchern verzichtet, übernimmt aber nicht bloß Verantwortung für die Umwelt. Er ist auch ehrlich zu sich selbst und anderen. Die meisten Bücher werden nicht in der Absicht gekauft, daß sie irgend jemand liest. Man verschenkt sie oder stellt sie sich ins Regal, um Eindruck zu schinden. Alle schmunzeln über den demonstrativen Konsum von Porschefahrern und Markenfetischisten. Wer sich an der Kasse im Buchladen anstellt, um den Intellektuellen zu markieren, ist keinen Deut besser.