© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Brexit-Hängepartie geht weiter
Dem Chaos ein Ende setzen
Albrecht Rothacher

Als vor 107 Jahren die Titanic unterging, herrschte unter Deck angeblich Disziplin. Knapp 60 Tage vor dem selbstgesetzten Brexit-Austrittsdatum am 29. März greift Panik und Chaos von der Insel langsam auf den Kontinent über. Zwischen „Remainern“ und harten Brexitiers in der eigenen Partei zerrieben, flattert Theresa May nur noch als politisch kopfloses Huhn. Vom Wiederaufleben des nordirischen Bürgerkriegs bis zum Massenversagen des Hafenzolls sowie Knappheiten bei Arznei- und Lebensmitteln reichen die nicht unbegründeten Befürchtungen. In den 46 Jahren britischer EU-Mitgliedschaft wuchsen die beiden Wirtschaften zu symbiotischen siamesischen Zwillingen zusammen. 84 Milliarden Euro deutscher Exporte überqueren jährlich den Kanal, 37 Milliarden Euro britischer Produkte nehmen den umgekehrten Weg. 

Die EU-27 sollten sich aufraffen, die selbstgesetzte Frist aufzuheben. Zwar entsprang sie der Austrittsklausel des ursprünglichen „Verfassungsvertrags“ der EU. Doch es wäre nicht das erste Mal, daß die EU und ihre Mitgliedstaaten europäisches Recht brechen. Diesmal gäbe es im europäischen Interesse die Chance, ohne Zeitdruck und Hysterie eine Sondermitgliedschaft für das Vereinigte Königreich zu verhandeln, mit Elementen, die so attraktiv sein könnten, daß sie die nötige Reform der EU-Finanzen und Verordnungsapparate an Haupt und Gliedern heilsam beflügeln könnten.