© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

„Einbruch bleibt Einbruch“
Militante Tierschützer: Der Feldzug gegen die konventionelle Landwirtschaft macht auch vor Straftaten nicht halt / Staatsschutz ermittelt
Paul Leonhard

Daß viele Verbraucher demnächst die „Haltungsform“ auf der Fleischverpackung studieren, ehe sie Fleisch vom Rind, Schwein oder Geflügel im Einkaufswagen verstauen, darf getrost bezweifelt werden. Aber die Supermarktketten Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe wollen der Bundesregierung und den zuweilen immer militanter auftretenden Tierschützern entgegenkommen und haben sich in vorauseilendem Gehorsam schon einmal auf eine einheitliche Kennzeichnung geeinigt. 

Aus Sicht von Lea Schmitz, Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes, greift diese freiwillige Initiative, die ab dem 1. April gelten soll, ebenso zu kurz wie die Idee eines dreistufigen Tierwohl-Labels, das die Bundesregierung plant. Schmitz behauptet stattdessen auf der Agrar- und Ernährungsmesse „Grüne Woche“ in Berlin, zu deren diesjährigen Schwerpunkten neben dem Umweltschutz auch das Tierwohl gehört, es fehle eine Gesamtstrategie: „Wir brauchen einfach gute Standards für alle Tiere, auch für die, die nicht gelabelt werden“, sagte sie gegenüber NDR Info.

Zu den Feindbildern selbsternannter  Tierrechtler gehören Bauern wie Johannes Röring, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes – und CDU-Bundestagsabgeordneter. 

Wurde der Landwirt vor drei Jahren von der Tierschutzorganisationen Peta und Animal public wegen angeblicher Tierquälerei angezeigt, so sorgten jetzt 900 verendete Mastschweine auf dem Hof der Familie in Vreden im Landkreis Borken für Schlagzeilen. Unbekannte hatten sich vergangene Woche gewaltsam Zutritt zu einem Technikraum des Stalls verschafft und die Stromversorgung abgeschaltet. Damit war die Be- und Entlüftung der Stallung nicht mehr gegeben und die Tiere starben qualvoll. Der finanzielle Gesamtschaden wird auf 100.000 Euro geschätzt. Da ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen wird, haben der Staatsschutz der Kriminalpolizei sowie das Bundeskriminalamt (BKA) die Ermittlungen aufgenommen. Das BKA ist unter anderem zuständig für politisch motivierte Straftaten gegen Leib, Leben oder Freiheit eines Mitglieds der Verfassungsorgane des Bundes – in diesem Fall des Bundestagsabgeordneten Röring. Einen ähnlichen Fall hatte es bereits kurz vor Weihnachten in Gülzow in Mecklenburg-Vorpommern gegeben, wo ebenfalls Unbekannte durch das Abschalten des Stroms den Tod von 400 Ferkeln herbeiführten. 

Der Anzeige gegen Röring im Jahr 2016 war ebenfalls ein Einbruch in den Maststall vorausgegangen. Aktivisten hatten dort Videos gedreht, die eine angebliche Tierquälerei belegen sollten, und von Peta öffentlich gemacht wurden. Allerdings stellte die Staatsanwaltschaft Münster das Verfahren gegen Röring ein. Im vergangenen Jahr war überdies ein abschließendes Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart nach einem Einbruch in einen tierhaltenden Betrieb ergangen, bei dem ebenfalls Tierschützer Videoaufnahmen für eine Kampagne gegen Putenhaltung drehen wollten: Die Täter wurden rechtskräftig wegen Hausfriedensbruch verurteilt. 

„Tierschutz ist eine Aufgabe, die von Tierhaltern, Gesetzgeber und Veterinärämtern wahrgenommen wird – und eben nicht von selbsternannten Tierrechtlern“, sagte dazu der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke: Für eine Rechtfertigung von Straftaten politisch andersdenkender Einzeltäter ist in unserem demokratischen Rechtsstaat kein Raum.“ Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, begrüßte seinerzeit die Entscheidung des Oberlandesgerichtes, Stalleinbrüche weiterhin als Hausfriedensbruch zu bewerten: „Einbruch bleibt Einbruch.“

Das sieht die Bundesregierung genauso: Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt: „Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden.“ Ob die Große Koalition allerdings plant, im Bundestag einen neuen Straftatbestand „Hoffriedensbruch“ oder ein härteres Strafmaß für entsprechende Taten einzuführen, ist noch unklar.

Bei Peta ist man sich dagegen gewiß, daß für den qualvollen Tod der Schweine keine Tierschützer als Täter in Frage kommen. Die Organisation hat sogar eigens 1.000 Euro Belohnung für Hinweise ausgelobt: „Ganz sicher haben Tierschützer nichts mit dem Tod der Schweine zu tun, denn für sie hat das Wohlergehen der Tiere höchste Priorität“, sagte Edmund Haferbeck, Leiter der Rechtsabteilung bei Peta. Zunächst müsse untersucht werden, „ob wirklich Dritte an diesem Vorfall beteiligt waren oder ob dies lediglich eine Schutzbehauptung ist, um von einem eigenen fahrlässigen Verhalten abzulenken“. Zur Vorverurteilung durch Peta gehört auch die Forderung nach einem „sofortigen Tierhalteverbot für Röring“. 

Auch Jäger im Visier sogenannter „Tierrechtler“

Zum Glück für den deutschen Fleischkonsumenten geht Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) noch nicht so weit wie die Tierschutzorganisation, die als Motto propagiert, daß Tiere nicht dazu da sind, vom Menschen gegessen oder in irgendeiner anderen Form ausgebeutet zu werden. Sie werde den Deutschen nicht gesetzlich vorschreiben, was diese essen dürfen, versicherte die Politikerin Journalisten. Sie habe aber „eine moralische Pflicht, auch gesellschaftliche Debatten anzustoßen“. Sie kenne viele Verbraucher, die für das Tierwohl auch mehr bezahlen würden. 

Unterdessen sind nicht nur Landwirte, sondern auch Jäger immer wieder den Übergriffen durch Kriminelle ausgesetzt. In den vergangenen fünf Jahren wurden allein in Nordrhein-Westfalen 188 „politisch motivierte Straftaten aus dem Bereich Tierschutz/Tierrecht/Jagd“ registriert, teilte das Düsseldorfer Innenministerium auf eine Anfrage der AfD-Landtagsfraktion mit. Allerdings gebe es bisher keine Anhaltspunkte „für Überschneidungen zwischen der linksextremistischen Szene und Aktivisten oder Organisationen der militanten Tierschutz-Szene“, heißt es in der Antwort des Innenministeriums.