© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Nicht der Pflicht nur zu genügen
Kampagne gegen Linksextremismus: Weil er einem Burschenschafter einen Preis verliehen hat, steht Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul in der Kritik
Alexander Graf

Rechter Burschenschafter gibt Tips für linke Aussteiger“, „NRW-Verfassungsschutz zeichnete fragwürdigen Preisträger aus“, so lauten einige der Schlagzeilen überregionaler Medien, die sich mit einem scheinbar skandalösen Vorgang beschäftigen. Hintergrund ist ein Wettbewerb für eine Kampagne gegen Linksextremismus an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Studenten sollten Motive für die Kampagne entwerfen „Das war die Aufgabenstellung im Masterseminar ‘Sprache im Extremismus’ im Sommersemester“, sagt einer der Gewinner, der Student Hans-Ulrich Voß, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. 

Sein Plakatmotiv, für das er von Innenminister Herbert Reul (CDU) im Dezember ausgezeichnet wurde, zeigt einen Vermummten vor brennenden Barrikaden. „Wir sind friedlich, was seid ihr?“, fragt der dazugehörige Slogan den Betrachter. Die Parole wird auf Demonstrationen gern der vermeintlich   eskalierenden Polizei entgegengerufen; der offenkundige Widerspruch von Text und Bild ist also durchaus beabsichtigt.

Daß Voß Mitglied der Burschenschaft Teutonia Aachen ist, sorgt mit einiger Verspätung für Rauschen im Blätterwald und empörte Reaktionen in den sozialen Netzwerken. Voß läßt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Man solle derlei nicht überbewerten. „Es geht in erster Linie nicht um mich, sondern gegen Herrn Reul “, äußert er gelassen. Der CDU-Innenminister stehe seit jeher unter Beschuß linker Interessengruppen.

Um die Auszeichnung des Verbindungsstudenten zu skandalisieren, verweisen Journalisten daher gern auf seine Korporation. So sei die Aachener Teutonia „bis vor kurzem im umstrittenen Verband der Deutschen Burschenschaft organisiert“ gewesen, schreibt etwa die Rheinische Post und raunt von Kontakten in den Bereich des Rechtsextremismus. Hinter dem „bis vor kurzem“ verbergen sich jedoch bereits sieben Jahre. „Mein Bund ist 2012 aus der Deutschen Burschenschaft ausgetreten“, erläutert Voß. Überholte innere Strukturen und eine mangelnde Abgrenzung zum Rechtsextremismus seien der Grund für den Schritt gewesen, stellt die Teutonia auf ihrer Homepage klar. Inzwischen hat sich seine Verbindung neu ausgerichtet und gehört der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft an. 

Daß er nun in der Berichterstattung dennoch mit rechtsextremen Positionen in Verbindung gebracht wird, entbehre jeder Grundlage. Auf Anfrage der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag teilte das Innenministerium mit, die Burschenschaft werde nicht vom Verfassungsschutz überwacht. Zuvor hatte eine Ministeriumssprecherin auch schon gegenüber dem Magazin Bento betont, das gleiche gelte auch für Voß. 

Der junge Mann kann auch von persönlichen Erlebnissen mit Linksextremen berichten. „Welcher Verbindungsstudent hat noch keine Erfahrungen mit linksextremer Gewalt gemacht?“ In seinem Fall sei es glücklicherweise bislang immer glimpflich verlaufen. 

Die Posse offenbart linke Beißreflexe

So bleibt bei genauerer Betrachtung nichts vom angeblichen Skandal, das Innenministerium lasse sich von vermeintlichen Rechtsextremen im Kampf gegen Linke unterstützen. Der Wettbewerb sei lediglich gedacht gewesen, dem Innenministerium „innovative Konzepte“ für das Aussteigerprogramm „Left“ (zu deutsch „links“ und auch „verlassen“) zu liefern, hatte Reul bei der Auszeichnung der besten Beiträge betont. 

„Der Wettbewerb sah nie vor, daß die Entwürfe eins zu eins umgesetzt werden, sondern das Innenministerium wollte sich in unserem und dem Parallelseminar Inspiration für eine mögliche Ausgestaltung der Kampagne holen“, stellt Voß klar. Damit seien die Sorgen einiger linker Interessengruppen, die Beiträge würden vom Ministerium übernommen, ohnehin unbegründet. Die Posse an der Hochschule offenbart linke Beißreflexe. Es geht mitnichten um eine scheinbare Verquickung des CDU-geführten Innenministeriums mit  Burschenschaften. Stattdessen entzündete sich die Aufregung daran, daß ein Burschenschafter einen Beitrag dazu leisten könnte, Personen den Ausstieg aus der linksextremen Szene zu ermöglichen.