© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Ländersache: Hessen
Ringen mit den Regeln
Sandro Serafin

Rolf Müller zeigt sich kompromißlos: Man akzeptiere es, wenn ein Sportler unsere Regeln aus persönlichen Gründen nicht anerkennen könne oder wolle. „Aber gerade der Wettkampfsport braucht klare und nachvollziehbare Regeln. Deshalb sagen wir unmißverständlich: Wer diese Regeln nicht akzeptieren will, kann an unserem Wettkampfsport leider nicht teilnehmen“, verbreitete der Landessportbund Hessen am vergangenen Freitag eine Stellungnahme seines Präsidenten. 

Müller, langjähriger CDU-Landespolitiker, stellte sich damit „voller Überzeugung“ hinter eine sechsmonatige Sperre, die der Rechtsausschuß des Hessischen Ringer-Verbandes kurz zuvor gegen drei muslimische Ringer ausgesprochen hatte. 

Was war passiert? Die Männer, zwei Brüder aus Tschetschenien und ein Bulgare, hatten sich als Vertreter der RWG Hanau-Erlensee in der Partie gegen den AC Bavaria Goldbach kurz vor Weihnachten laut Mainpost offenbar das erste Mal mit einer weiblichen Kampfrichterin konfrontiert gesehen. Ramona Scherer, Vizepräsidentin des Hessischen Ringer-Verbands, die einst selbst deutsche Meisterin war und heute als Kampfrichterin mit internationaler Lizenz pfeift, war für die Partie angesetzt worden. Doch die laut Erlensee-Vereinschef Anton Albert „sehr religiösen“ Muslime verweigerten der 38jährigen den obligatorischen Handschlag. Scherer, zu deren Aufgaben auch das Kontrollieren der Fingernägel und das Überprüfen des Rückens auf Öl oder Schweiß gehören, disqualifizierte daraufhin die Betroffenen und kommentierte vor den Zuschauern: „So etwas ist mir noch nie passiert.“ Bei der Siegerehrung dann verneigten sich die Männer, deren Mannschaft schon vor der Partie als Verbandsligameister festgestanden hatte, vor der Kampfrichterin.

Noch im November vergangenen Jahres war im Lokalblatt Main-Echo zu lesen, daß Scherer trotz ihres Geschlechts bei Männern auf der Matte akzeptiert sei. Auch Ringer aus Ländern mit einem anderen Frauenbild würden nach ihrer Pfeife tanzen, hieß es da. „Ich mußte in meiner Karriere noch nie eine rote Karte zeigen“, äußerte sich Scherer zufrieden.

Etwa einen Monat später dann der „Eklat“. Der schlug hohe Wellen, die Bild am Sonntag schickte gar einen Reporter nach Erlensee, der einen der Sportler ausfindig machte und folgende Begründung für das Verhalten zu hören bekam: „Ich wollte nie respektlos sein, sondern den Partner der Kampfrichterin ehren.“ Zudem habe er Streit mit seiner Frau gehabt, der er habe zeigen wollen, „daß ich nur Augen für sie habe“.

Der Hessische Ringer-Verband ließ das jedoch nicht gelten und sperrte die Sportler für ein halbes Jahr. Es gebe „keine zwingende theologische Begründung“ dafür, den Handschlag zu verweigern, hieß es zur Begründung. Auch Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, gebe schließlich Frauen die Hand.

Ob diese Botschaft bei den betroffenen Ringern ankommt, ist indes unklar. Die Frage, ob er es wieder tun würde, wollte der Bulgare in der BamS nicht beantworten. Nachvollziehen kann das Verhalten jedenfalls kaum einer: 87 Prozent gaben in einer Emnid-Umfrage kürzlich an, kein Verständnis dafür zu haben, wenn Männer Frauen aus religiösen Gründen den Handschlag verweigern.