© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Wissenschaftliche Gründe: Fehlanzeige
Streit um Seniorprofessur: Die TU Dresden bricht endgültig mit ihrem renommierten Politologen Werner J. Patzelt
Björn Harms

Wer die Debatten rund um den renommierten Politologen Werner J. Patzelt schon länger verfolgte, war von der Meldung nicht wirklich überrascht: Wie am Wochenende bekannt wurde, verweigert die Technische Universität Dresden ihrem Politikwissenschaftler, der im März planmäßig in den Ruhestand geht, eine anschließende Seniorprofessur. Ein seit Jahren anschwellender Konflikt zwischen der Universitätsleitung und dem seit 28 Jahren in Dresden lehrenden Professor findet damit seinen unrühmlichen Höhepunkt. 

Den entsprechenden Antrag für das Ehrenamt werde das Rektorat nicht stellen, teilte die Universität in einer Stellungnahme mit. Der Dekan der Philosophischen Fakultät, Kommunikationswissenschaftler Lutz Hagen, habe sich zwar mit den Mitgliedern des Fakultätsrates über die Situation ausgetauscht. Letztlich aber sei die Entscheidung gegen den Antrag gefallen. Damit wird Patzelt nach der regulären Beendigung seiner derzeitigen Professur Ende März in den Ruhestand wechseln und nicht weiter in Dresden lehren können – wie er es gern getan hätte.

Der 65jährige habe „Politik und Wissenschaft derart vermischt“, daß dem Ruf der TUD und der Fakultät geschadet wurde“, heißt es in der Stellungnahme zur Begründung. Ein harter Vorwurf, den Patzelt so nicht stehenlassen will. „Tatsache ist, daß ich bis zu meiner Berufung als Co-Vorsitzender der Programmkommission der sächsischen CDU (JF 3/19) überhaupt keine politische Tätigkeit ausübte.“ Da wäre also gar nichts zu trennen gewesen. Nicht zuletzt deshalb gebe es „keinerlei wissenschaftliche Gründe“ für die Verweigerung der Seniorprofessur, kritisiert Patzelt im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Die Entscheidung sei jedoch „insofern konsequent, als daß sie opportunistisch ist“. Auch von seiner ihm vorgeworfenen Sympathie für die AfD bleibt bei genauerer Betrachtung nicht viel übrig. Der Wissenschaftler hatte, wie vor zwei Wochen bekannt wurde, für die AfD drei wissenschaftliche Gutachten verfaßt und fünf Vorträge gehalten. Das reichte aus, um einen medialen Aufschrei zu verursachen. Unerwähnt blieb, daß Patzelt in der Vergangenheit auch bei der früheren PDS oder der SPD referiert und für die sächsische CDU Gutachten erstellt hatte. 

Die Initiative sei dabei „stets von den Einladenden ausgegangen“, wie Patzelt betont. So habe er es auch gehalten, „als die AfD als parlamentarische Oppositionspartei anfing, meine Expertise zu suchen“. Als weiteren Grund für die Verweigerung der Seniorprofessur nannte die Dresdner Universität Patzelts „öffentliche und unzutreffende Kritik“, der Rektor der Hochschule habe die Bundesfinanzierung für ein von ihm geplantes wissenschaftliches Institut verhindert. 

Damit habe er nach Darstellung der Universität „gegen das Mäßigungsverbot verstoßen“, dem er als Professor unterliege. Auch hier widerspricht der Politologe. Zwar habe er den Rektor kritisiert, jedoch zu Recht. Schließlich hätte dieser verbreitet, Patzelt würde nur „glauben“, ein „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ konzipiert zu haben. Tatsächlich aber habe das Konzept eines solchen Instituts dem Rektor der TU seit Januar 2015 schriftlich vorgelegen. „Ich behalte mir juristische Schritte gegen diese Falschbehauptung vor“, bestätigt Patzelt gegenüber der JF.

Politikwissenschaftler   gilt als „Pegida-Versteher“ 

Unterstützung erhielt Patzelt derweil vom ehemaligen Direktor der  Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe. „Die Säuberungen haben ein neues Opfer gefunden – und mittendrin ein langjähriges SED-Mitglied“, twitterte Knabe unter Bezugnahme auf die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD), von 1979 bis 1988 Mitglied der SED. Zuletzt waren Patzelt und Stange auch in der Debatte um das „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ aneinandergeraten. 

Entzündet hatte sich die seit Jahren anschwellende Kritik an Patzelt jedoch an seinen Äußerungen zur Pegida-Bewegung. In drei umfassenden Studien hatte er sich genauestens mit den Einstellungen der Demonstranten befaßt. Die Ergebnisse überraschten. Pegida-Leute seien mehrheitlich „keine Gegner des Demokratieprinzips“, von einer allgemeinen Entwicklung hin zum Rechtsradikalismus könne nur bedingt gesprochen werden. Abgesehen vom ausgeprägten „deutschen Patriotismus“ der Pegidianer würden sich sogar „große inhaltliche Schnittmengen mit klassisch linken Positionen“ finden. Was folgte, waren diffamierende Flugblätter aus den Reihen linker Studenten und öffentliche Distanzierungsbriefe von Mitarbeitern des politikwissenschaftlichen Instituts. Die linksextreme Szene Dresdens schreckte auch nicht vor Anschlägen zurück. Im März 2017 zündeten Unbekannte das Auto von Patzelt an, während dieser auf einer Konferenz in Tunesien weilte.

Groll gegenüber der Universitätsleitung hegt Patzelt derweil nur bedingt. „Ich habe der Fakultät und der Universität über ein Vierteljahrhundert lang gerne gedient“, versichert er. „Die unschönen Umstände der Beendigung des Dienstes für meine Universität sorgen für einen klaren Schnitt hin zum Beginn einer neuen Lebensphase.“