© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Wider die Wacht am Rhein
„Prüffall“: Die AfD will sich juristisch gegen den Verfassungsschutz zur Wehr setzen
Christian Vollradt

Darf der Verfassungsschutz die AfD öffentlich zum „Prüffall“ erklären? Mit dieser Frage werden sich demnächst wohl ein paar Juristen mehr beschäftigen. Der Bundesvorstand der Partei hat diese Woche beschlossen, nötigenfalls ein Verwaltungsgericht anzurufen, um per Eilantrag dem Bundesamt in Köln die weitere Nennung als Prüffall untersagen zu lassen. Nicht die Prüfung an sich sei das Problem, erläuterte Roland Hartwig, Leiter der parteiinternen Arbeitsgruppe Verfassungsschutz, im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT das Vorgehen, sondern die Vorgehensweise in der Öffentlichkeit. 

„Daß der Verfassungsschutz eine Partei auf mögliche verfassungsfeindliche Bestrebungen überprüft, ist nicht zu beanstanden; dazu ist er ja da“, meinte Hartwig. Offenbar habe diese bisherige Untersuchung im Falle der AfD keine hinreichenden Anhaltspunkte erbracht, die eine Beobachtung durch den Inlandsnachrichtendienst rechtfertigen würden. Anstatt aber dies so zu kommunizieren, habe man verkündet, die Partei weiter zu prüfen. „Das sehen wir als gesetzwidrigen Eingriff in unser Recht als Partei“, so Hartwigs Resümee. 

Außerdem beantragt die Partei Akteneinsicht. Es sei schließlich „unfair“, daß man der AfD als Betroffener vorenthalte, sich ein eigenes und vollständiges Bild von den fraglichen Äußerungen zu machen. Hartwig erwartet allerdings, daß der Verfassungsschutz dies unter Verweis auf die Geheimhaltung abschlägig bescheiden wird – auch wenn es sich um Material aus öffentlich zugänglichen Quellen handelt. Auch dagegen will sich die Partei dann juristisch zur Wehr setzen. Ebenso erstattet die AfD Anzeige wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen, da das Verfassungsschutz-Gutachten offensichtlich an einige Medien durchgestochen wurde. 

Für Empörung in der AfD sorgt auch, daß sich – so die Berichte etwa der Süddeutschen zutreffen – die Nachrichtendienstler in ihrer Sammlung auch des Recherchematerials linksextremer Antifa-Netzwerke bedienten. „Damit fließen Behauptungen radikallinker Gruppen, die sich als Privat-Stasi aufspielen, als ganz normale Quellen in das ‘Gutachten’ ein“, beschwerte sich Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel. Das sei unseriös und parteiisch „und bekräftigt den Verdacht der politischen Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes“. Offenbar sei mittlerweile „kein fragwürdiges Mittel zu schade, um die unliebsame Konkurrenz der AfD zu diffamieren und im politischen Wettbewerb zu behindern“, so Weidel. 

Staatsrechtler spricht von „Stigmatisierungswirkung“ 

Der emeritierte Freiburger Staatsrechtler Dietrich Murswiek (JF 46/18) hält die öffentliche Darstellung der AfD als „Prüffall“ ebenfalls für zumindest problematisch. Denn eigentlich sei dieser Terminus nur behördenintern relevant. „Die Einstufung als Prüffall sagt darüber, ob die betreffende Organisation verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt und in diesem Sinne ‘extremistisch’ ist, nichts aus“, schreibt Murswiek in einem Beitrag für Tichys Einblick. Werde nun, „wie jetzt im Fall der AfD, die Einstufung als Prüffall öffentlich verkündet“, bleibe sie nicht im Inneren des Geheimdienstes, sondern entfalte „Stigmatisierungswirkung“, so die Schlußfolgerung des Juristen: „Die Partei wird vom Verfassungsschutz geprüft. Das ist es, was in der Öffentlichkeit ankommt.“

Für die Junge Alternative, die – im Unterschied zur Gesamtpartei – bereits als „Verdachtsfall“ eingestuft wird, hat es Priorität, genau zu prüfen, worin die Vorwürfe der Verfassungsschützer bestehen. „Es könnte sich ja zum Beispiel herausstellen, daß ein Großteil der unterstellten verfassungsfeindlichen Äußerungen aus dem Landesverband Niedersachsen stammen“, sagte JA-Chef Damian Lohr der jungen freiheit. Und in diesem Fall habe man ja bereits Konsequenzen gezogen und dessen Abtrennung vom Bundesverband beschlossen. 

Beim nächsten Bundeskongreß soll zudem die Satzung der JA geändert werden, um etwaige Verstöße leichter ahnden zu können. Auf Anregung der Arbeitsgruppe Verfassungsschutz der AfD ist außerdem eine erweiterte Anzeigepflicht vorgesehen. So heißt es etwa: „Nimmt eine Gliederung der Jungen Alternative für Deutschland in ihrem Namen an vereinsfremden politischen Aktivitäten öffentlicher Art teil, so hat der Vorstand der Gliederung eben diese Aktivität allen übergeordneten Gliederungen wenigstens 48 Stunden vorher, in besonders dringlichen Fällen spätestens am Tag der Ausübung der Aktivität, anzuzeigen. Die Ausübung erfordert keine Genehmigung.“ In der Vergangenheit hatten sich zum Beispiel bürgerlich-konservative Mitglieder an gemeinsamen Auftritten einzelner JAler mit Vertretern der Identitären Bewegung massiv gestört. Lohr bekräftigte seine Forderung, daß die Partei mitziehen müsse. „Was nützt es, wenn die AfD die Junge Alternative auffordert, Problemfälle rauszuwerfen, und selbst keine Ordnungsmaßnahmen gegen dieselben Personen einleitet?“

Auch den „Flügel“ stuft der Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ ein. Eine der Leitfiguren der AfD-Rechten ist Thüringens Landesvorsitzender Björn Höcke. Haben dadurch im Freistaat jetzt Beamte, die sich in der AfD engagieren, ein Problem? Immerhin kandidieren auf der Liste der Partei für die Landtagwahl im Oktober unter den ersten zwanzig Plätzen vier Polizeibeamte. Doch die haben zunächst einmal keine dienstrechtlichen Konsequenzen zu befürchten, stellte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) gegenüber dem MDR klar: „Es gibt keine Hemmnisse, sich als Polizist parteipolitisch in der AfD oder anderen Parteien zu betätigen. So weit sind wir noch lange nicht.“