© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Grüße aus Buenos Aires
Vorsicht mit dem Senf
Elke Lau

Rezeptionist Carlos ist uns vertraut geworden. In erster Linie wegen der Klimaanlage in unserem Zimmer, die kennt nämlich nur „zu heiß“ oder „zu kalt“, lärmt wie ein landender Helikopter und kann ausschließlich vom Portier geregelt werden. Zum anderen versorgt uns Carlos mit wertvollen Anregungen. 

Heute steht die Besichtigung des „Teatro Colon“ auf dem Programm. „Laß die Handtasche im Hotel“, rät mein Begleiter Uli, als wir uns zu Fuß auf den Weg zum größten Opernhaus der Welt machen wollen. „Da ist kein Geld drin, nur Notizblock und Kugelschreiber.“ „Glaubst du, Langfinger können hellsehen? Laß die Tasche hier.“ „Nö.“

Es ist Sonntag, früh am Morgen, Avenida Córdoba und die Plaza Lavalle menschenleer. Ein Prachtexemplar von Gummibaum inmitten der Parkanlage weckt unsere Neugier. Um den Durchmesser einschätzen zu können, schreitet Uli ihn ab. „Achtundzwanzig Meter“, ruft er begeistert. 

„Ehe ich mich versah, hatte man mir die Geldbörse gestohlen. Heute hab’ ich schnell reagiert.

In diesem Augenblick stelle ich verwundert fest, daß sich die Leinentasche zwar auf meinem Rücken befindet. Als ich sie vorziehen will, greife ich in eine kalte, glitschige Masse. Es ist Senf, der meiner Tasche nun eine braune Farbe verpaßt. 

Schockiert zeige ich Uli das Desaster. Ihm ist sofort klar: Hier wurde ein Überfall vorbereitet. Er ist stinksauer. Aber mehr über meine Beratungsresistenz als über den Vorfall. Ich will seiner Meckerei ein Ende setzen, umarme ihn versöhnlich und siehe da, auch meine linke Hand ist jetzt voller Mostrich. Man hatte Ulis Gesäßtasche ebenfalls präpariert. 

Ein argentinisches Ehepaar beobachtet uns. „Sie haben Glück gehabt. Gleich hätten scheinbar freundliche junge Männer Sie auf die Flecke aufmerksam gemacht,  Tücher hervorgezaubert und unter eifrigem Wischen alle Wertsachen entwendet.“

Mehr erleichtert als frustriert kehren wir ins Hotel zurück.Wir treffen auf einen anderen Deutschen: Mostrichflecken auf der Hose und frische Schrammen im Gesicht.  

„Sind Sie überfallen worden?“ fragen wir ahnungsvoll. „Ja“, antwortet der sportliche Bayer grimmig, „aber heute hat der Bengel nichts erbeutet.“ „Heute?“ fragen wir verblüfft. Der Bayer nickt. „Ich bin gestern nachmittag beraubt worden. Ehe ich mich versah, war meine Geldbörse weg. Heute hab’ ich schnell reagiert, und der Ganove wird jetzt seinen Kumpanen sein blaues Auge erklären müssen.“