© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Angriff auf die deutsche Industrie
Autobranche: Hersteller und Beschäftigte müssen wegen strenger CO2-Vorgaben um ihre Existenz bangen
Dirk Spaniel

Die erste Enteignungswelle startete vor elf Jahren: Berlin, Köln und Hannover richteten Umweltzonen ein, in die nur noch Benziner mit geregeltem Katalysator und neue Diesel mit Rußpartikelfilter einfahren durften. Es folgten Dutzende weitere Städte, meist in Baden-Württemberg, Hessen und NRW. Damals ging es um Feinstaub, und nur wer eine grüne Plakette für die Frontscheibe erhielt, war in Deutschland weiterhin unbeschränkt mobil.

Nach zwei Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig (JF 10/18) startete voriges Jahr die zweite Angriffswelle: Diese wird mit dem Stickoxidausstoß (NO2) begründet. Seither drohen auch Benzinern unterhalb der Euro-3-Norm und allen Dieseln unterhalb der Euro-6-Norm Fahrverbote. Und die Autokäufer reagierten: Der Diesel-Anteil bei den Neuzulassungen fiel 2018 nochmals weiter von 38,8 auf 32,3 Prozent. Und es spricht wenig dafür, daß dieser Trend gestoppt wird, denn mittlerweile kann nicht mehr ausgeschlossen werden, daß nur Diesel mit der aktuellsten Euro 6d-Temp-Norm von den Fahrverboten ausgenommen werden könnten.

Pro Pkw zwischen 3.000 und 11.000 Euro Strafzahlung?

Doch neben den Fahrverboten gibt es noch ein zweites Thema, das für die Autobranche mindestens genauso wichtig ist: die CO2-Emissionen bei Neuwagen in der EU. Die Brüsseler Gesetzgebung hat zum Jahresende die Vorgaben noch einmal erheblich verschärft und somit die Industrie vor technisch unlösbare Aufgaben gestellt. Bis 2030 sollen Neuwagen nämlich 37,5 Prozent weniger CO2 ausstoßen als im Vergleichsjahr 2021.

Schon in zwei Jahren gelten CO2-Vorschriften, die bei Nichteinhaltung massive Strafzahlungen nach sich ziehen würden (JF 43/18). Bei jedem Gramm Überschreitung des CO2-Grenzwertes (95 Gramm pro Kilometer) bedeutet dies für den Autohersteller eine Strafe von 95 Euro. Alleine für VW könnte sich der Schaden 2021 auf knapp 1,2 Milliarden Euro beziffern. Für die beiden meistverkauften Pkws in Deutschland – Golf und Tiguan – würden je nach Ausstattung zwischen 3.000 und 11.000 Euro Strafzahlung fällig. Kleinwagen wie der Benziner VW Up! seien damit „tot“ warnte Herbert Diess in der Fachzeitschrift Automobilwoche. Hinter den Polo – 2018 das drittmeistverkaufte Auto in Deutschland – setzte der VW-Konzernchef „ein dickes Fragezeichen“. Für entsprechende Ford- und Opel-Modelle gilt im Prinzip das gleiche.

Der VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wurde in der Welt am Sonntag noch deutlicher: „Das heutige Preisniveau ist nicht zu halten, wenn diese Autos mit Elektromotoren ausgestattet werden. Daher wird es im Kleinwagensegment ganz unweigerlich zu erheblichen Preis­erhöhungen kommen.“ Es stelle sich damit die Frage, wer sich künftig überhaupt noch einen eigenen Pkw leisten könne. Man müsse fragen, „ob bei der Festlegung neuer CO2-Grenzwerte auch alle gesellschaftlich relevanten Aspekte ausreichend berücksichtigt worden sind“.

Doch der Schaden läßt sich nicht nur monetär bemessen. Die EU und weite Teile der deutschen Politik haben eine klima-ideologische Kampagne gegen den Verbrennungsmotor gestartet – die Strafzahlungen sollen den Komplettumbau der Automobilindustrie forcieren. Denn die Einhaltung der CO2-Emissionsnormen ist aus technischer Sicht nicht ohne weiteres möglich: Bei einer Reduktion von 37,5 Prozent gegenüber 2021 müßte der Durchschnittsverbrauch der Neuwagenflotte eines Herstellers 2030 bei 2,2 Liter Diesel respektive 2,4 Liter Benzin pro 100 Kilometer liegen.

Strafzahlungen finanzieren Umschulungsprogramme?

Um dies zu bewerkstelligen, müßten thermodynamische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt werden. Die von der EU anvisierten neuen Grenzwerte sind technisch nicht machbar, da der Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors nahezu verdoppelt werden müßte. Das ist absolut unrealistisch. Die Konsequenz ist daher, daß die Einhaltung der Flottengrenzwerte nur gewährleistet werden kann, wenn die Hersteller massiv die Elektromobilität als Antriebstechnologie in die Neuwagen verbauen. Denn E-Autos werden als „emissionslos“ in der Flottenberechnung berücksichtigt.

Und das erklärt, warum weniger die Rettung des Weltklimas, sondern der Kampf gegen den Verbrennungsmotor das eigentliche Ziel der EU ist. Denn E-Fahrzeuge sind mitnichten die CO2-sparsamere Alternative zum Diesel. Selbst wenn E-Autos zu 100 Prozent mit Ökostrom „betankt“ werden, so fallen bei der Herstellung von Tesla & Co. allein für die Akkuherstellung massive CO2-Emissionen an, die aber in der Ökobilanz bei den Stromern unter den Tisch fallen. Zudem ist Ökostrom für viele EU-Staaten nur eine Fiktion.

Bis auf Schweden, Österreich, Lettland und Kroatien, die einen Großteil ihres Stromes aus Wasserkraft erzeugen, und Dänemark (Windkraft und Biogas) dominieren den Strommix in den anderen EU-Staaten weiterhin Atomenergie, Kohle, Erdgas und Öl. Aufgrund der fehlenden Speicherkapazitäten und der fehlenden Grundlast der erneuerbaren Energien wird sich dies auch in Deutschland auf absehbare Zeit nicht ändern.

Doch die Folgen dieser verheerenden „E-Politik“ müssen die in der Autoindustrie arbeitenden Steuerzahler tragen, sie müssen mit massivem Stellenabbau rechnen. Etwa ein Drittel der 1,6 Millionen Menschen, die in Deutschland direkt oder indirekt in der Autobranche tätig sind, fertigen Komponenten, die für Verbrennungsmotoren verwendet werden. Nach einer Fraunhofer-Studie würden bei einem Umstieg auf E-Mobilität bis 2030 etwa 110.000 Stellen in der Autoindustrie wegfallen. Das Ifo-Institut warnt, daß 13 Prozent der industriellen Wertschöpfung und 600.000 der heutigen Industriearbeitsplätze der Verbrennertechnik direkt zugerechnet werden. Im Oktober kritisierte der VW-Betriebsratchef Bernd Osterloh die völlig überzogenen CO2-Vorgaben und prognostizierte massive Stellenstreichungen.

Dabei darf nicht vergessen werden, daß bei den EU-Verhandlungen von deutscher Seite eher Öl ins Feuer gegossen wurde, als sich für die Interessen der Industrie und Arbeiterschaft stark zu machen. Die deutsche Verhandlungsführerin, Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), zeigt sich ob des Ergebnisses von 37,5 Prozent nicht etwa schockiert, sondern enttäuscht. Sie selbst warb für eine Reduktion von 40 Prozent, um somit aus ihrer Sicht ein „deutliches Zeichen für den Klimaschutz“ zu erreichen.

Besonders perfide an den in Zukunft anfallenden CO2-Strafzahlungen ist, daß damit Umschulungsprogramme für von Arbeitslosigkeit betroffene Arbeitnehmer bezahlt werden sollen. Die EU dokumentiert damit eindeutig, daß sie selbst massenhafte Arbeitslosigkeit bei der Gesetzgebung einberechnet hat.






Dr. Dirk Spaniel ist Maschinenbauingenieur und verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion.