© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Ein Ende mit Schrecken wäre das kleinere Übel
Euro-Krise: Bruno Bandulet erklärt, warum Deutschland aus der Währungsunion austreten sollte – und wie ein Dexit praktisch ablaufen könnte
Erich Weede

Bruno Bandulet bemüht sich seit langem darum, die Welt, wie sie ist, zu verstehen statt Bücher zu schreiben, die auch Angela Merkel als „hilfreich“ empfinden könnte. Stattdessen verwendet er seine eigene Vernunft. Der Journalist und Verleger hält auch die Beachtung deutscher Interessen durch Politiker, wie in deren Amtseid angedeutet, nicht für abwegig. Wohin das führt, hatte sich schon 2011 bei einem Vortrag in Frankreich, der als Anhang am Ende des Buches abgedruckt ist, angedeutet: Unsere Politiker haben mit dem Euro ein brennendes Haus ohne erkennbaren Ausgang geschaffen, das Europa Stagnation und vielleicht sogar eine Depression bringt.

Zwar verwendet Bandulet nicht explizit den Vorwurf der Inkompetenz gegen die Väter des Euro oder die Mütter – neben Angela Merkel darf man auch an die französische Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, denken – aber letztlich geht es darum. Zu erkennen, daß der Euro für Europa unbekömmlich ist, ist keine Frage der Moral, sondern der Sachkenntnis. Bandulet verweist mehrfach auf die rechtzeitigen Warnungen vieler deutscher und ausländischer Ökonomen, sogar des amerikanischen Notenbankchefs, vor dem Euro und den Maßnahmen zu seiner Rettung. Leider verhalten sich unsere Politiker nicht selten so, als ob die demokratische Wahl eine Verpflichtung zur Beratungsresistenz mit sich brächte.

In Deutschland profitiert der verschuldete Staat

Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert: Nach den ersten drei Kapiteln muß man den Euro für ein Negativsummenspiel halten, bei dem viel mehr verloren als gewonnen wird. In Südeuropa wachsen die Schulden, stagnieren die Pro-Kopf-Einkommen oder gehen zurück wie in Italien, bleibt die Arbeitslosigkeit vor allem der Jugend unerträglich hoch, werden die Nationalstaaten bevormundet und damit nebenbei die Demokratie untergraben. In Deutschland profitiert zwar der verschuldete Staat von der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), aber die deutschen Sparer leiden in erheblich größerem Ausmaß unter dieser Politik.

Der dank Südeuropa relativ schwache Euro beflügelt zwar deutsche Exporte, aber die Gewinne kommen zum Großteil ausländischen Aktionären der Dax-Unternehmen zugute – oder führen, wie die Targetsalden der Bundesbank, zu zinslosen, kaum verwertbaren und im Krisenfalle vielleicht abzuschreibenden Guthaben. Bandulet bezweifelt auch, ob die Inflation so niedrig ist, wie die EZB unterstellt, ob ein Inflationsziel von zwei statt null Prozent überhaupt sinnvoll ist.

Die ordnungspolitischen Auswirkungen der Rettungspolitik waren verheerend. Schlechtes Regieren wurde mit Hilfen belohnt. Die EZB kaufte Zeit für Reformen im Süden, die nicht genutzt wurde. Das Prinzip der Eigenverantwortung wurde untergraben. Die Wähler wurden mit Gesetzen und Vorschriften zwecks Erhaltung der Stabilitätskultur beruhigt, aber das blieb faktisch so belanglos wie die Zugangskriterien für den Euro. Unsere Politiker haben sich so verhalten, als ob gleichzeitig komplizierte und wirkungslose Vorschriften mit der Verankerung des Rechtsbewußtseins in der Bevölkerung kompatibel wären.

Im vierten Kapitel werden die jüngsten Entwicklungen analysiert. Der Brexit würde festschreiben, daß die wirtschaftlich angeschlagenen Südstaaten, für die ein Euro mit Deutschland immer zu stark ist, eine Mehrheit in den Entscheidungsgremien bekommen. Der Druck zum Ausbau der Transferunion – über zumindest teilweise nie rückzahlbare Rettungskredite, Targetkredite und Nullzinspolitik hinaus – muß steigen. Deutschen Sparern droht die Haftung für faule Kredite in Süd­europa, deutschen Steuerzahlern die für die Arbeitslosigkeit dort. Bandulet betont auch hier, daß Hilfen zwar die Zahler viel kosten, aber bei den Empfängern wenig Gutes bewirken.

Im fünften Kapitel geht es darum, wie man die Eurozone von der Last des Euro befreien könnte, wie man in Europa Eigenverantwortung, Freiheit und Wettbewerb wiederherstellen könnte. Vor allem ein Ausscheiden Italiens und Deutschlands werden in verschiedenen Szenarien besprochen. Ein deutscher Austritt wäre technisch leichter als ein italienischer Austritt abzuwickeln, weil die neue deutsche Währung aufwertungsverdächtig, die italienische abwertungsverdächtig wäre. Bandulet zitiert eine Schätzung, wonach ein harter deutscher Austritt aus der Eurozone einen direkten Verlust in der Nähe von 18 Prozent des deutschen BIP bedeuten könnte. Das ist zwar viel Geld, aber ein Ende mit Schrecken könnte das kleinere Übel als ein Schrecken ohne Ende sein.

Bandulet hält Parallelwährungen für eine Möglichkeit, die Kosten der Abwicklung des Euro zu minimieren. Lange vor der Euro-Einführung hatten der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek und britische Politiker schon Konkurrenz unter Währungen empfohlen, um die Risiken des politischen Mißbrauchs des Geldes zu verringern. Das Buch ist aktuell, exzellent geschrieben und deshalb trotz der schwierigen Materie verständlich. Jeder politisch Interessierte und erst recht jeder Parlamentarier sollte es lesen.






Prof. Dr. Erich Weede ist Soziologe und lehrte an der Universität Köln und am Bologna Center der Johns Hopkins University. 1997 folgte er einem Ruf der Universität Bonn an den renommierten Lehrstuhl für Soziologie von Friedrich Fürstenberg.

Bruno Bandulet: Dexit: Warum der Ausstieg Deutschlands aus dem Euro zwar schwierig, aber dennoch machbar und notwendig ist. Kopp Verlag, Rottenburg 2018, 189 Seiten, gebunden, 19,99 Euro