Der ICE ist gut gefüllt. Die Reisenden, die zusteigen, suchen nach freien Plätzen. Eine modisch angezogene und sorgfältig geschminkte junge Frau schaut offenkundig verständnislos auf die rote Schrift über den Plätzen. „Ge Ge Ef besetzt, was heißt das?“, fragt sie unsicher in einem Akzent, der sie als Polin ausweist, einen älteren Herrn. „Gegebenenfalls“, antwortet der, und als ihn die Schöne weiterhin unsicher anlächelt, ergänzt er: „Wir können jederzeit vertrieben werden.“
„So wie wir damals“, brummelt ein Weißhaariger gegenüber. „Laß die Geschichten, Hermann“, stößt ihn seine Frau an. Der Mann blickt trotzig. Ein Jüngling ist aufgestanden, um den Koffer der Polin auf die Gepäckablage zu wuchten. Die bedankt sich und verabschiedet sich von den Mitreisenden, indem sie sich Kopfhörer aufsetzt. Als jedoch der Lautsprecher knistert, nestelt sie sie wieder aus den Ohren, um zu hören, was der Zugbegleiter mitteilt. Der entschuldigt sich für den Ausfall des Platzreservierungssystems und damit verbundene eventuelle Unannehmlichkeiten.
Für den Kräutertee müsse er allerdings erst aussteigen und die Kräuter sammeln.
Immerhin, der ICE ist pünktlich, am nächsten Halt würden alle geplanten Anschlüsse erreicht. „Ge Ge Ef“, sagt die junge Frau und blickt lächelnd in die Augen des Zugkellners, der sich nach ihren Getränkewünschen erkundigt: „Kaffee?“ Sie bestellt Tee. „Schwarzen, grünen, Früchte- oder Kräutertee?“ fragt der zurück. Für letzteren müsse er allerdings während der Fahrt erst aussteigen und Kräuter sammeln. Und grüner Tee – der brauche seine Zeit. Wie weit sie denn fahre? Der Kellner ist sichtlich verzückt und hat auf Flirtmodus geschaltet.
Die Frau genießt das. Ob er für einen Früchtetee auch erst die Früchte ernten müsse, fragt sie schnippisch. Der junge Servicemitarbeiter schüttelt lachend den Kopf: „Also einen Früchtetee.“ Grinsend befüllt er den kleinen Pappbecher und zieht danach strahlend weiter den Gang hinunter.