© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/19 / 01. Februar 2019

Wenn der Privatjet gechartert wird
Abschiebungen: Wie hoch sind die Kosten für Rückführungen? / Hamburg führt Länderrangliste an
Lukas Steinwandter

Fälle wie diese sorgen stets für Schlagzeilen: „Privatjet für zwei Asylbewerber gechartert – Abschiebung nach Afrika kostet 165.000 Euro“, meldete vor zwei Wochen die Bild-Zeitung. Im Netz verbreitete sich die Nachricht aus Niedersachsen zehntausendfach. Der Grund: Eine Abschiebung mit derart hohen Kosten sorgt sowohl bei Abschiebegegnern als auch bei Kritikern der herrschenden Asylpolitik für Empörung. 

Die einen, wie etwa der Flüchtlingsrat Niedersachsen, wollen damit auf die Kosten für Abschiebungen aufmerksam machen, die zu vermeiden wären, wenn gar nicht erst abgeschoben würde. Die anderen wollen zeigen, wie chaotisch die Asylkrise und ihre Folgen noch immer gemanagt werden. Fest steht: Abgewiesene Asylbewerber müssen das Land gemäß Aufenthaltsgesetz verlassen. Wer nicht freiwillig geht, kann – sofern es keine Hinderungsgründe gibt – ausgewiesen werden. Fälle wie der eingangs erwähnte sind nur die Spitze des Eisbergs. Die meisten Ausweisungen schaffen es nicht in die Öffentlichkeit. Auch die gesamten Abschiebekosten pro Bundesland sind bislang nur vereinzelt veröffentlicht worden. 

Woraus setzen sich die  Kosten zusammen?

Weil die Zuständigkeit für Abschiebungen in erster Linie bei den Ländern liegt, hat die JUNGE FREIHEIT bei den 16 zuständigen Ministerien (in der Regel Innenministerien, in Nordrhein-Westfalen das Integrationsministerium) nachgefragt. Mit 7,9 Millionen Euro Abschiebekosten im Jahr 2017 führt das Land Hamburg die Rangliste an. Dahinter folgen Nordrhein-Westfalen (5,2 Millionen), Niedersachsen (4 Millionen Euro) und Baden-Württemberg (3,8 Millionen Euro). Das Land Berlin, dessen rot-rot-grüne Regierung bei ihrem Antritt angekündigt hatte, weniger abzuschieben, gab mit 557.000 Euro weniger für Ausweisungen aus als Brandenburg (858.192 Euro) oder Mecklenburg-Vorpommern (690.000 Euro). Für das Jahr 2018 konnte der Großteil der Länder entweder nur vorläufige Zahlen für das erste Halbjahr oder gar keine nennen. Bremen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben bis Redaktionsschluß nicht reagiert. 2017 wurden bundesweit insgesamt 23.966 Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückgebracht.

Wie sich am Beispiel Bayern zeigt, sind bei einer Abschiebung mehrere Behörden maßgeblich beteiligt. Bei der Bundespolizei fallen Kosten für Sicherungskräfte am Flughafen und Personenbegleiter während des Fluges an. Die bayerische Polizei bucht Chartermaschinen, stellt medizinische Betreuung bereit und trägt die Kosten für die Abholung des Betroffenen bis hin zum Flughafen. Das Justizministerium zahlt die eventuelle Abschiebungshaft oder den Ausreisegewahrsam. Schließlich fallen für die jeweilige Ausländerbehörde noch Kosten für Personal, Paßersatzpapiere und Dolmetscher an. „Die für den Vollzug der Abschiebung zuständigen Behörden verauslagen grundsätzlich die Kosten der Abschiebung, sofern keine Erstattung durch Dritte erfolgt und fordern die Kosten bei den Abzuschiebenden durch einen Leistungsbescheid wieder ein und treiben diese gegebenenfalls nach den Regelungen des Vollstreckungsrechts bei“, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums der JF. Wie hoch die Abschiebekosten in Bayern pro Jahr sind, wie oft sie von der EU-Grenzschutzagentur getragen werden oder in wie vielen Fällen die abgeschobenen Personen zur Kasse gebeten werden, werde nicht ermittelt.

Aufschlüsselung am Beispiel Niedersachsen

Eine Aufschlüsselung der Kosten lieferte jedoch eine Anfrage der niedersächsischen AfD-Landtagsfraktion. Demnach fielen für die rund 3.900 Einzel- oder Mehrpersonenabschiebungen 2017 mehr als vier Millionen Euro an. Den größten Posten bilden darin mit rund 3.105.000 Euro die Kosten für das Begleitpersonal. Die Abschiebehaftkosten schlugen mit etwa 520.000 Euro zu Buche. 194.000 Euro mußten für Flugstornokosten berappt werden, weitere 24.000 Euro für die Identitätsklärung und das Ausstellen von Paßersatzpapieren. Die Kosten beim Landes-

kriminalamt, das an 184 Fällen beteiligt war, beliefen sich auf 185.200 Euro.

Mehrere Ministeriumssprecher wiesen darauf hin, daß eine durchschnittliche Angabe der Kosten pro Abschiebung aufgrund der hohen Unterschiede im jeweiligen Einzelfall nicht möglich sei. Zudem seien auch die Zahlen nicht immer valide. Das sächsische Innenministerium betonte, die Kosten seien aus den jeweiligen Haushaltsjahresaufstellungen entnommen. Aufwendungen, die nicht in einem Haushaltsjahr abgerechnet wurden, könnten kurzfristig nicht ermittelt werden. Die Abschiebekosten für 2018 dürften laut Hochrechnung ähnlich bis leicht höher ausfallen. Und auch 2019 werden die Länder und Kommunen wieder Millionen Euro für Ausweisungen ausgeben müssen, da der Andrang an Asylbewerbern im vergangenen Jahr nur geringfügig nachließ (siehe Kasten).





Asylstatistik 2018

Die Zahl der Asylanträge ist im vergangenen Jahr auf etwas über 186.000 gesunken. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge registrierte im Vorjahr rund 162.000 Erst- und 24.000 Folgeanträge. Im Vergleich zu 2017 ist das ein Rückgang von 16 Prozent. Die meisten Asylsuchenden kamen 2018 aus Syrien (46.000), dem Irak (18.000), Afghanistan (12.000), dem Iran (12.000) und Nigeria (11.000). 2016 hatte die Zahl aufgrund der Flüchtlingswelle von 2015 bei über 700.000 Anträgen gelegen.  Wie Bundesinnenminister Seehofer bei der Präsentation der Asylzahlen 2018 am vergangenen Mittwoch erläuterte, seien rund ein Fünftel der Erstanträge, also etwa 32.000, für in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr gestellt worden. Außerdem, lobte Seehofer, lägen die Zahlen der Nettozuwanderung, also nach Abzug von Abschiebungen und freiwilliger Rückkehr, unter der im Koalitionsvertrag vereinbarten Obergrenze zwischen 180.000 und 220.000 Einwanderern pro Jahr. Vor den Flüchtlingswellen ab 2014 waren mit 127.000 Personen im Jahr 2013 und 78.000 ein Jahr zuvor deutlich weniger Asylanträge registriert worden. (ls)