© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/19 / 01. Februar 2019

Chinesische Hintertüren
Handelspolitik: Von Strafzöllen zum Krieg gegen Technologiekonzerne / Staatliche Wirtschaftsspionage?
Albrecht Rothacher

Im globalen Handelskrieg ist das Schlachtfeld noch unübersichtlich. Einen Sieger gibt es noch nicht. Nur die Verluste häufen sich: Die chinesische Konjunktur rutscht ab, die US-Verbraucherpreise steigen, die Börsenkurse fallen. Vor einem Jahr hatte Donald Trump zunächst chinesische Solarpanele und Waschmaschinen abgestraft. Es folgten Strafzölle für Stahl- und Aluminium-Importe fast aller Handelspartner und Sonderzölle in Höhe von 10 bis 25 Prozent auf 7.300 weitere chinesische Produkte, darunter Computer, Möbel, Lampen, Textilien, Koffer, Staubsauger und Kochtöpfe, die in Summe etwa die Hälfte der US-Importe aus China in Höhe von 505 Milliarden Dollar betreffen.

Der Burgfrieden läuft am 1. März aus

Umgekehrt strafte Peking die wesentlich geringeren US-Exporte nach China (130 Milliarden Dollar) zu 85 Prozent ab: Schweinefleisch, Sojabohnen, Flugzeuge von Boeing, Autos von General Motors, US-Lkws, Industrieöl, Fischmehl, Kaffee, Honig, Wein, Hirse und Orangen wurden mit Sonderzöllen von fünf Prozent bis 180 Prozent getroffen. Dabei gab es durchaus chinesische Friedensangebote. Im April wurden besserer Zugang zum Versicherungsmarkt und zum Schutz geistigen Eigentums versprochen, Beschränkungen für ausländische Banken gelockert, die Importe von genverändertem US-Mais, Raps und Sojabohnen zugelassen und im Mai die Pkw-Zölle auf 15 Prozent reduziert.

Davon profitierten auch Exporte aus Deutschland, während in den USA gefertigte SUV von Daimler und BMWs in China abgestraft wurden. Ab 2022 soll auch der Zwang zu Gemeinschaftsunternehmen für ausländische Pkw-Hersteller entfallen, bei denen der chinesische Zwangspartner sich bisher ohne große Anstrengungen die Technologien und die Hälfte der Gewinne aneignen konnte. Trotz Trumps Strafzöllen blieb das US-Handelsdefizit gegenüber China bei 323 Milliarden Dollar, begünstigte doch der 2018 um zehn Prozent gefallene Außenwert des Yuan chinesische Exporte – und hob so den Effekt der US-Strafzölle teilweise wieder auf und verteuerte die Importe ins Reich der Mitte.

Beim G-20-Gipfel in Buenos Aires vereinbarten Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping eine 90-Tage-Frist für Verhandlungen, während der nicht weiter eskaliert werden soll. Die Amerikaner fordern zum Ausgleich des Defizits massive chinesische Käufe von US-Agrar- und Industriegütern sowie von Öl und Flüssiggas. Die Verhandlungen kommen jedoch kaum vom Fleck, zumal die chinesische Konjunktur schwächelt und der Staat, die Industrie und die Haushalte mit 290 Prozent des Bruttoinlandsprodukt so hoch wie die Amerikaner verschuldet sind. Der Burgfrieden läuft am 1. März aus.

Hinzu kommt: Schon unter Barack Obama wurden chinesische IT-Konzerne als „Gefahr für die nationale Sicherheit“ gebrandmarkt. Huawei und ZTE wurde in einem US-Kongreßbericht („Investigation of the Security Threat Posed by Chinese Telecommunications Companies“ vom 13. September 2012) unterstellt, in ihre Internettechnik „Hintertüren“ einzubauen, die sensible Daten an chinesische Regierungsstellen und die dortige Industrie liefern könnten. Nicht nur Trump geht letztlich um die Welttechnologieführung, die sich die Amerikaner nicht aus der Hand nehmen lassen wollen. Sie befürchten, daß die beiden Netzwerklieferanten bei einer künftigen Marktbeherrschung auf Befehl der KP Chinas Marktzugänge sperren und weltweit Megadaten von Firmen, Behörden und Verbrauchern ausspähen und verwerten könnten. Schon jetzt werden im Namen der Seuchen- und Terrorbekämpfung via „künstlicher Intelligenz“ Finanz- und Gesundheitsdaten abgefragt, nebenbei auch Einstellungen zu Tibet und Taiwan überprüft. In der Tat wird Chinas Überwachungstechnologie zum Exportschlager für repressive Regimes von Vietnam bis Sambia.

Gefährdung der nationalen Sicherheit

ZTE (80.000 Beschäftigte, 17 Milliarden Dollar Umsatz) wurde vorgeworfen, unter Bruch des Sanktionenregimes Mikroprozessoren, Server und Router nach Nordkorea und in den Iran geliefert zu haben. Als Trump es bei einer Strafe von einer Milliarde Dollar bewenden lassen wollte, legte der US-Senat nach und verbot Qualcomm und Intel den Verkauf von Mikrochips an ZTE. Doch diese US-Technik ist für Smartphones und die Ausrüstung des neuen 5G-Mobilfunknetzes unverzichtbar. ZTE steht vor dem Aus, weil China trotz Subventionen von 160 Milliarden Dollar die Halbleitertechnik bislang nicht meistern kann.

Huawei (180.000 Beschäftigte, 127 Milliarden Dollar Umsatz) ist der drittgrößte Smartphonebauer der Welt. Der Gründer Ren Zhengfei (74) hatte als Nachrichtentechniker bei der Volksbefreiungsarmee gearbeitet, in deren Cyber-Abteilungen heute Zehntausende Spezialisten schlagkräftig wirken. Nach einem Pekinger Sicherheitsgesetz von 2017 sind alle chinesischen Bürger und Organisationen verpflichtet, mit dem Geheimdienst zusammenzuarbeiten. Die 200 Staatsunternehmen (darunter ZTE) gelten als der „verlängerte Arm der Partei“. In allen Privatbetrieben mischen KP-Zellen in der Unternehmensführung mit. Nachdem alle US-Geheimdienstchefs nicht nur vor Industriespionage, sondern auch einer Gefährdung der nationalen Sicherheit durch Huawei gewarnt hatten, wurde Huawei nicht nur vom öffentlichen Beschaffungswesen und dem 5G-Ausbau in vier Ländern der „Five Eyes“-Geheimdienstallianz (USA, Kanada, Australien, Neuseeland), sondern auch von Japan ausgeschlossen.

Der US-Konzern AT&T wurde gezwungen, die geplante Kooperation mit Huawei aufzukündigen. Als in Kanada Meng Wanzhou, die Tochter des Huawei-Gründers (JF 51/18), und in Polen ein Huawei-Manager wegen Spionage verhaftet wurden, schrillten auch in Europa die Alarmglocken. In Polen, Norwegen, Frankreich und bei „Five Eyes“-Partner Großbritannien wird ein Huawei-Bann diskutiert. Telekom, Vodafone und Telefónica in Deutchland wollen Huawei vorerst treu bleiben.

Im Juli 2018 scheiterte die 40-Milliarden-Dollar-Übernahme der Firma NXP (früher Philips Semiconductors) durch den US-Chipgiganten Qualcomm, weil sich das chinesische Kartellamt quergestellt hatte. Der weltgrößte Anbieter von Mobilfunkchips wollte auch beim autonomen Fahren die Nase vorn haben. Nun schlug die US-Justiz zurück: Am Montag erhob der Federal Court in Brooklyn (New York) offiziell Anklage gegen Huawei, deren Ex-Tochterfirma Skycom und Meng Wanzhou. Die 13 Anklagepunkte umfassen Verstöße gegen die Iran-Sanktionen, Geldwäsche, Betrug, Verschwörung zur Behinderung der Justiz und Industriespionage.





Huawei/ZTE-Debatte in Deutschland

Die Bundesregierung äußert sich zurückhaltend über einen Ausschluß von Huawei und ZTE bei öffentlichen Ausschreibungen und beim Aufbau des neuen 5G-Mobilfunknetzes. „Die Willensbildung über konkrete Maßnahmen ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen“, hieß es vorige Woche in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen. Im September 2018 hatte Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) einen Huawei/ZTE-Bann klar dementiert: „Eine konkrete gesetzliche Grundlage mit der Rechtsfolge des kompletten oder teilweisen Ausschlusses eines bestimmten Anbieters vom 5G-Ausbau in Deutschland existiert nicht und ist nicht geplant.“ Auf AfD-Bedenken antwortete die Bundesregierung im Oktober: In einer digitalisierten Welt sei die „generelle Abschottung öffentlicher Netzinfrastrukturen gegen bestimmte Anbieter jedenfalls kein adäquater Schutzmechanismus“ (Anfrage 19/4804). Auf die Spionagesorgen der FDP wurde entgegnet, die Beschaffungsämter des Bundes nähmen „No-Spy-Klauseln“ in die jeweiligen IT-Rahmenverträge auf (19/5805).

Chinese Telecommunications Conglomerate Huawei and Huawei CFO Wanzhou Meng Charged With Financial Fraud:  www.justice.gov/news