© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/19 / 08. Februar 2019

Höchste Alarmstufe
Islamismus: Die Terrorgefahr besteht auch jenseits der Schlagzeilen weiter
Peter Möller

Mit der terroristischen Bedrohung verhält es sich wie mit den sogenannten Schläfern: erst wenn etwas passiert, werden sie von der Öffentlichkeit wahrgenommen – obwohl sie nie weg waren. Daß die Bedrohung Deutschlands durch islamistische Terroristen nach wie vor akut ist, auch wenn sie zuletzt aus den Schlagzeilen verschwunden war, zeigte sich in der vergangenen Woche. In Meldorf im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein verhafteten die Sicherheitsbehörden drei Iraker. Den als Flüchtlingen nach Deutschland gekommenen Männern im Alter von 23 bis 36 Jahren wird von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, „fest“ zu einem Attentat entschlossen gewesen zu sein. Nach Angaben des Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, habe das Trio geplant, „möglichst viele Menschen zu töten“. Die Tat sollte offenbar mit Sprengstoff, einer Pistole oder einem Auto ausgeführt werden.

BKA-Chef Münch nahm den Fahndungserfolg seiner Leute, die die Männer zuvor rund um die Uhr überwacht hatten, zum Anlaß, um deutlich zu machen wie hoch die Bedrohung durch islamistischen Terror in Deutschland immer noch ist. Seit dem Anschlag 2016 auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, bei dem zwölf Menschen ums Leben gekommen waren, seien nun schon zum siebten Mal Anschlagspläne von Islamisten durchkreuzt worden. Auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) unterstrich, daß nach wie vor „die höchste Sicherheitsstufe“ gelte.

Wie berechtigt solche Warnungen sind, zeigte sich fast zeitgleich mit dem Fahndungserfolg in Schleswig-Holstein vor dem Berliner Kammergericht. Dort begann am Mittwoch vergangener Woche der Prozeß gegen einen 41 Jahre alten Bosnier wegen Volksverhetzung, Werben um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung und des Verwendens von Kennzeichen eines verbotenen Vereins. Der Mann war bereits 2016 in Verdacht geraten, einen Anschlag geplant und beim IS in Syrien gewesen zu sein, ohne daß die Behörden ihm jedoch etwas nachweisen konnten. Der Mann soll zudem mit einem Zwölfjährigen in einer Chatgruppe gewesen sein, der Ende 2016 verhaftet wurde, da er offenbar mit einer Nagelbombe einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen verüben wollte.  

Abgeordnete beklagen  „Schikane“ der Regierung

Wie schwer sich der deutsche Rechtsstaat mit der juristischen Aufarbeitung der Terrorbedrohung mitunter tut, zeigt der Prozeß in Celle gegen den Hildesheimer Prediger Abu Walaa und vier weitere Angeklagte. Seit September 2017 versucht die Anklage dem Iraker und seinen mutmaßlichen Komplizen die Unterstützung und Mitgliedschaft im IS nachzuweisen. Abu Walaa soll der Kopf eines Rekrutierungsnetzwerks gewesen sein, doch die Beweisaufnahme erweist sich als äußerst schwierig, da sich die Anklage vor allem auf die Aussagen eines IS-Rückkehrers sowie eines V-Mannes stützt, der vor Gericht aber nicht befragt werden konnte. Vor August dieses Jahres dürfte der Mammutprozeß kein Ende finden.

Doch nicht nur der Kampf der Justiz gegen islamistische Strukturen ist mitunter zäh. Auch die parlamentarische Aufarbeitung des Anschlags des Tunesiers Anis Amri auf den Berliner Weihnachtsmarkt läuft nicht so, wie sich das zumindest die Opposition vorstellt. Seit März 2018 versucht der Amri-Untersuchungsausschuß im Bundestag zu klären, ob die Sicherheitsbehörden im Vorfeld des Attentats versagt haben und ob der Anschlag hätte verhindert werden können. Antworten darauf könnte vor allem das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) liefern, das bereits mehrfach dazu beigetragen hat, mögliche Attentäter dingfest zu machen.

Daß der Verfassungsschutz auch Amris Umfeld im Blick hatte, steht außer Frage. Die Zahl der bekanntgewordenen V-Leute, die Kontakt zu ihm hatten, ist mittlerweile zweistellig. Doch die Aufklärung über die genauen Kenntnisse der Geheimdienstler erweist sich als schwierig. Das fängt bereits beim Aktenstudium an. Einige der streng geheimen Akten des Verfassungsschutzes können von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses nicht wie in solchen Fällen üblich in der dafür vorgesehen Geheimschutzstelle des Bundestages eingesehen werden. Stattdessen müssen die Abgeordneten sich auf den Weg in die Berliner Außenstelle des BfV nach Treptow machen. Dieses sogenannte „Treptow-Verfahren“ stößt den Parlamentariern als Schikane übel auf. Es sei symptomatisch für das Verhalten der Bundesregierung, die Aufarbeitung des Anschlages zu behindern, beklagt die Opposition, die mittlerweile eine Klage gegen diese Verzögerungstaktik vorbereitet.

Und die Verärgerung der Abgeordneten über die Behörden ist nachzuvollziehen. Denn erst Mitte Januar sagte ein syrischer Asylbewerber, Mohamed J., vor dem Ausschuß über seine Erlebnisse mit seinem ehemaligen Mitbewohner Amri aus. J. hatte die Verantwortlichen der Asylbewerberunterkunft darüber informiert, daß sein Mitbewohner „nicht normal“ sei und ihm laufend religiöse Vorhaltungen mache. Außerdem bemerkt J., daß Amri eine Art Notizbuch hatte, auf dem die Flagge der Terror-Miliz Islamischer Staat zu sehen war. Doch der brisante Hinweis blieb ohne Folgen – mit tödlichen Konsequenzen. Nicht nur die Mitglieder des Untersuchungsausschusses fragen sich nun, wie das passieren konnte.

Trotz aller öffentlichkeitswirksam präsentierten Erfolge wie jetzt im Fall der drei Iraker in Dithmarschen bleibt so das ungute Gefühl, daß sich der Fall Amri jederzeit wiederholen könnte.