© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/19 / 08. Februar 2019

Die Macht der Türsteher beschränken
Urteile: Häufig verweigern Gemeinden die Vermietung ihrer Räume aus politischen Gründen / Doch auch der Verweis auf private Betreiber entbindet sie nicht von ihren gesetzlichen Pflichten
Kathrin Baake

Ob zum Kaffeekränzchen oder zum Kanalgebühren-Informationsabend: Möchte sich eine Partei den Bürgern vor Ort präsentieren, braucht sie einen geeigneten Versammlungsraum. Das kann neben einer Gaststätte auch zum Beispiel ein kommunales Veranstaltungshaus sein. Dabei muß die Gemeinde alle Parteien gleich behandeln und ihnen die Räume bei Bedarf für die politische Arbeit zur Verfügung stellen. In jüngster Zeit häuften sich Fälle, in denen von dieser Praxis abgewichen wurde. Eine bedenkliche Entwicklung, der allem Anschein nach eine politische Intention zugrunde liegt: die unliebsame Konkurrenz zu benachteiligen. 

So zum Beispiel in der norddeutschen Kleinstadt Achim. Als die AfD dort beim Bürgermeister nachfragte, ob auch sie das Kulturhaus für eine politische Veranstaltung nutzen dürfe, ließ dieser lediglich mitteilen, die Stadt sei für die Vergabe der Räume nicht zuständig – und verwies an den Betreiberverein des Kulturzentrums. Erwartungsgemäß lehnte der es unter Berufung auf seine Privatautonomie ab, der AfD einen Raum für einen Vortrag zum Thema Asylrecht zur Verfügung zu stellen. 

„Gleichbehandlung ist zwingend vorgegeben“

Ein ähnlicher Fall ereignete sich in Ritterhude, wo das örtliche Kulturhaus „Hammeforum“ zunächst für die AfD geschlossen bleiben sollte. Auch hier wandte man sich mit einer Anfrage zur Nutzung des Forums für eine politische Veranstaltung an die Gemeindeverwaltung. Auch hier wurde man an den Betreiber, in diesem Fall eine GmbH verwiesen, die den Zugang zur Veranstaltungshalle ebenfalls verweigerte. Die Gemeinde Ritterhude hält übrigens hundert Prozent der Gesellschaftsanteile an der Betreiber-GmbH. Das Vorgehen ist keineswegs auf die Provinz beschränkt. Auch in Bayerns Hauptstadt München lehnten Kulturzentren unter Verweis auf die Zuständigkeit von privaten Trägervereinen es ab, der AfD ihre Räume für Veranstaltungen zu vermieten. 

Erstaunlich an diesem anscheinend bundesweiten Trend ist, daß in keinem der Fälle sachlich begründet wurde, warum die AfD die kommunalen Einrichtungen nicht nutzen darf. Stattdessen versteckte man sich hinter vermeintlich juristischen Notwendigkeiten. Deutschlandweit haben Kommunen vielfach die Organisation und Bewirtschaftung von Kulturhäusern auf eigens dafür gegründete juristische Personen des Privatrechts übertragen. Sie können sich dann argumentativ darauf zurückziehen, formal für die Vergabe der Räume nicht zuständig zu sein. Schließlich gebe es einen privatrechtlichen Betreiber, der selbst entscheiden darf, wem er die Räumlichkeiten überläßt und wem nicht. Das nennt sich Privatautonomie – und wer möchte die schon beanstanden?  

Im Falle der Metropole München oder der kleinen Stadt Achim ist die juristische Person der örtliche Kulturverein, in Ritterhude ist es eine GmbH. Vielfach zeigt ein Blick hinter die Kulissen der juristischen Person jedoch, daß letztlich die Kommune dahintersteckt und mindestens den überwiegenden Gesellschaftsanteil, wesentliche Posten im Verein besetzt oder sich mittelbar die Möglichkeit zur Einwirkung durch finanzielle Zuwendungen erhält. In Ritterhude hält die Stadt hundert Prozent der Gesellschaftsanteile der Betreiber-GmbH. In Achim wird jährlich ein Zuschuß in Höhe von über 200.000 Euro an den Kulturverein bezahlt, der ohne diesen großen Betrag in die Insolvenz gehen müßte. Und in München sicherten sich die jeweiligen Stadtteilverwaltungen Mitwirkungsrechte über die Vereinssatzung.

Es ist eine Flucht ins Privatrecht – und das hat seinen Grund. So kann die Kommune den im öffentlichen Recht vielfach anzutreffenden Kontrahierungszwang, sozusagen das Gegenteil von Privatautonomie, umgehen. Die öffentliche Hand ist dadurch quasi gezwungen, mit jedem, der dies möchte, einen Vertrag zu schließen, ob sie nun will oder nicht. Im Privatrecht dagegen darf man sich aussuchen, mit wem man Verträge schließt und mit wem nicht.

Doch wenn die Kommunen den privaten Betreiber nur vorschieben, um zum Beispiel einer bestimmten Partei die Nutzung von Räumen für ihre politische Arbeit zu verweigern, wird es bedenklich. Denn welches Verständnis von Demokratie offenbart sich durch die offensichtlich parteipolitisch geprägte Selektion beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen? Die ausgegrenzte Partei muß dies auch nicht hinnehmen. Um sich wirkungsvoll gegen die Ausgrenzung zu wehren und den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen gerichtlich durchzusetzen, ist jedoch der richtige Sachvortrag in der Klageschrift erforderlich. So muß etwa in einer Klage vor dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht detailliert die Verflechtung von Kommune und vorgeschobener juristischer Person aufgeschlüsselt werden. 

Entscheidend für die Verpflichtung der Kommune, Zutritt zur öffentlichen Einrichtung zu gewähren, ist dabei, so hat es der Verwaltungsgerichtshof München in seinem Beschluß vom Juli vergangenen Jahres festgestellt, wer wirtschaftlich die Hosen anhat: Hält die Kommune maßgebliche Anteile an der juristischen Person oder „lebt“ diese juristische Person nur, weil die Kommune sie finanziell unterstützt, ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, daß sich die Kommune nur der juristischen Person bedient, um ihrem Kontrahierungszwang zu entgehen. Wenn dies so ist, müssen alle Parteien gleichermaßen Zugang zu den entsprechenden Einrichtungen erhalten. 

Die Richter in München gingen sogar noch weiter und verpflichteten die Landeshauptstadt dazu, auf die privaten Betreibervereine der Stadtteilkulturzentren dahingehend einzuwirken, daß die Antragsteller – im konkreten Fall die AfD – dort Veranstaltungen durchführen können. Die zuvor übliche Praxis, die Nutzung der Einrichtungen nur den im Stadtrat vertretenen Parteien zu gestatten, verstoße gegen das „zwingend vorgegebene parteienrechtliche Gleichbehandlungsgebot“. Die Kulturzentren seien gemäß der zwischen der Stadt und den Trägervereinen getroffenen Abmachungen „als gemeinnützige, überparteiliche und bürgerschaftliche Einrichtungen zu betreiben“ und die Stadt könne deswegen von den Trägervereinen „die dauerhafte Wahrung des Gemeinwohlzwecks der Einrichtung einfordern“, heißt es in der Begründung der Juristen. 

Weil die Stadt „maßgebenden Einfluß“ auf den Betrieb der Kulturzentren ausübe, müsse sie dafür „auch gegenüber Dritten rechtlich einstehen“ und dafür sorgen, daß die grundgesetzlich verankerte Chancengleichheit, die auch für politische Parteien gilt, für alle Parteien gewahrt wird. Verweigert eine Kommune einer Partei die Nutzung öffentlicher Einrichtungen, während sie sie auch nur einer anderen Partei gestattet, verletzt sie damit den Grundsatz der Chancengleichheit und kann entsprechend gerichtlich zur Gleichbehandlung verpflichtet werden. So lassen sich zunächst verschlossene Türen doch noch öffnen. 





Flucht ins Privatrecht

In der jüngeren Vergangenheit sind Kommunen verstärkt dazu übergegangen, städtische Betriebe im Bereich der Daseinsvorsorge (z.B. Belieferung mit Wasser oder Strom, Heizenergie oder Müllabfuhr) neu zu organisieren und dafür auf privatrechtliche Organisationsformen zurückzugreifen. Aus den „Stadtwerken“ wurde dabei ebenso die „Versorgungs-GmbH“ wie aus der kommunalen Abfallbeseitigungsanlage die Recyclinghof GmbH.  Ursprünglich dafür gedacht, die Vorteile des Privatrechts (freie Vertragsgestaltung, Abdingbarkeit bestimmter Regelungen) auch für städtische Betriebe nutzen zu können, birgt die privatrechtliche Organisation aber auch Risiken für den Einwohner einer Gemeinde. So kann sich die Gemeinde auch hinter der privatrechtlichen Form der Organisation verstecken, um zwingenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben zu entgehen. Etwa ist der Schutz durch die Grundrechte im Privatrecht allenfalls mittelbar gegeben, während die Kommune für sämtliches Verwaltungshandeln daran zu messen und insoweit auch in ihren vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten beschränkt ist. Dem wurde jedoch durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und des Bundesgerichtshofes begegnet. Unisono gelten die strengen Anforderungen zur Bindung sämtlichen Verwaltungshandelns an Recht und Gesetz auch dann, wenn die Kommune juristische Personen des Privatrechts benutzt, um Aufgaben der Daseinsvorsorge zu erfüllen. Das entscheidende Kriterium, ob eine GmbH oder ein Verein letztlich eine kommunale Einrichtung betreibt oder nicht, liegt in der Möglichkeit zur Einflußnahme auf betriebliche Abläufe durch die Kommune. Je stärker die Einwirkungsmöglichkeiten der Kommune, desto weniger kann sich die GmbH oder der Verein auf Privatautonomie berufen.