© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/19 / 08. Februar 2019

Rendite mit Schmerzen
Strukturwandel: Finanzinvestoren bedrohen Geschäftsmodell deutscher Zahnärzte
Karsten Mark

Noch ist er der Regelfall, der freiberufliche Zahnarzt, der allein oder in einer Gemeinschaftspraxis mit Kollegen sein eigener Chef ist. Doch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) sieht dieses Geschäftsmodell akut bedroht. Finanzinvestoren, die „allein Kapitalinteressen verfolgen und nach Rendite streben“, drängten massiv auf den deutschen Dentalmarkt. „Für die KZBV ist die Sicherstellung einer flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung ein schützenswertes Gut“, heißt es in einer Stellungnahme, „das es im Interessen bewährter Praxisformen und Patienten künftig unbedingt zu verteidigen gilt. Die gute Versorgung in Deutschland wird seit Jahrzehnten durch freiberuflich tätige Zahnärzte sichergestellt. Sie ist ein weltweit einzigartiges Erfolgsmodell mit ausgezeichneter Zukunftsperspektive.“

Mindestens sieben große Finanzinvestoren soll es schon geben. Diese eröffneten in lukrativen Ballungsräumen Zahnmedizinische Versorgungszentren (Z-MVZ), in denen die Dentisten als Angestellte arbeiten. Deren Chefs unterliegen als juristische Personen des Privatrechts nicht mehr der Berufsordnung der Zahnärzte. Seit 2015 besteht in Deutschland die Möglichkeit zur Gründung solcher Z-MVZ. 700 hat der KZBV bundesweit gezählt – allerdings nur 75 mit „versorgungsfremden Investoren“. Für den Präsident der Landesärztekammer von Rheinland-Pfalz, Günther Matheis, ist das kein Grund zur Entwarnung: Es sei „schon fünf vor zwölf“. Selbst in seinem Bundesland seien „Hedgefonds unterwegs“. Der 60jährige Thorax-Chirurg aus Trier warnt „vor einer Heuschreckenmentalität“ auch bei radiologischen Praxen, die rein gewinnorientiert gegründet oder aufgekauft würden. „Da kommen Renditen in zweistelliger Höhe zusammen, die auf dem privaten Kapitalmarkt nicht mehr möglich sind. Das lehnen wir rigoros ab. Da muß der Bundesgesetzgeber dazwischengehen“, verlangte Matheis.

Ob die Forderung bei Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Gehör findet, ist fraglich. Bislang sind nur Pläne bekannt, nichtärztlichen Dialysezentren den Marktzugang zu erschweren. Die Finanzinvestoren kaufen meist ein zugelassenes, aber finanzschwaches Krankenhaus, heißt es in einer Analyse der KZBV. „Mit Hilfe des neu erworbenen Krankenhauses werden dann, unabhängig vom Standort des Krankenhauses, neue zahnärztliche MVZ gegründet oder bestehende aufgekauft.“

Für eine bedarfsgerechte Versorgung unverzichtbar?

Franz Knieps kann daran nichts Verwerfliches finden: „MVZ sind für eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung unverzichtbar – unabhängig von ihrer Trägerschaft“, sagte der Chef des Dachverbands der Betriebskrankenkassen dem Handelsblatt. Zwischen gutem und schlechtem Geld oder zulässigen und unzulässigen Investoren zu unterscheiden, sei „nicht zielführend“. Knieps war unter Ulla Schmidt (SPD) Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium und arbeitete am Gesetz für die MVZ mit. Ziel sei gewesen, „mit Hilfe von Fremdinvestoren zu besseren Versorgungsstrukturen in Deutschland beizutragen“, so Knieps.

Eine solche sei von renditeorientierten Investoren nicht zu erwarten, argumentieren die Zahnärzte dagegen. Denn, so KZBV-Chef Wolfgang Eßer, die Ansiedlung solcher „Investoren-Zahn-MVZ“ erfolge nicht in strukturschwachen Regionen, wo sie vielleicht sinnvoll seien, sondern in Großstädten und einkommensstarken Regionen.

Wohin es führen kann, wenn kommerzielle Z-MVZ pleite gehen oder sich plötzlich aus dem Markt zurückziehen, zeigt ein Beispiel aus Spanien: Dort wurde voriges Jahr die Dentalkette „iDental“ von den Behörden zwangsweise geschlossen. Zurück blieben Patienten, deren Behandlung nicht begonnen wurde oder nicht beendet war. „Dafür hatten sie sich bei Finanzanbietern verschuldet, die von iDental vermittelt wurden“, heißt es in der KZBV-Studie. Ebenfalls in Spanien meldete 2016 „Funnydent“ Insolvenz an. Die Dentalkette bot implantologische Leistungen zu besonders günstigen Preisen an, für die die Patienten aber Vorkasse leisten mußten. Nach dem Konkurs seien die Patienten ohne Behandlung zurückgeblieben. In Frankreich hatte „Dentexia“ Implantate zur Hälfte des üblichen Preise, aber mit Vorkasse angeboten: „Nach der Insolvenz blieben Patienten mit unvollendeten Behandlungen oder mit den Folgen von Behandlungsfehlern zurück.“

Indes sind es nicht nur branchenferne Finanzinvestoren, die das althergebrachte Modell des freiberuflichen Zahnarztes bedrohen. Junge Zahnärzte arbeiten heute oft lieber als Angestellte als auf eigene Rechnung. Das erspart ihnen hohe Investitionen in eine eigene Praxis. „In bewährten Praxisformen“, schreibt die KZBV, „läßt der Bundesmantelvertrag pro niedergelassenem Zahnarzt maximal zwei angestellte Zahnärzte zu. Diese starre Grenze soll mit den Krankenkassen gelockert und Praxen mehr Flexibilität eingeräumt werden.“

KZBV-Studie zu „Dentalketten in Europa“:  kzbv.de