© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

„Rückhalt vom Dienstherrn gibt es nicht“
Bundeswehr: Die Zahl rechtsextremer Verdachtsfälle geht zurück / Empörung über Vorgehen gegen einen Offizier der Eliteeinheit KSK
Christian Vollradt

Gute Nachrichten ergeben schlechte Schlagzeilen. Deswegen las man Ende vergangener Woche auch keine Überschriften wie: „Rund ein Drittel weniger Rechtsextremismus-Verdachtsfälle in der Bundeswehr“. Obwohl genau das der für die Verfassungs-Hygiene in der Truppe zuständige Militärische Abschirmdienst (MAD) auf eine Anfrage der Funke-Mediengruppe geantwortet hatte. 270 Soldaten oder zivile Beschäftigte waren 2018 wegen des Verdachts auf rechtsextreme Tendenzen ins Visier geraten. Im Jahr zuvor waren es 379. Bei lediglich vier rechts und drei islamisch motivierten Extremisten leitete die Bundeswehr 2018 nach entsprechenden Ermittlungen auch disziplinar- und personalrechtliche Verfahren ein. Nach Angaben des in Köln ansässigen Bundesamts für den MAD dienen die meisten dieser Soldaten mittlerweile nicht mehr in der Truppe.

„Die Stimmung ist mehr als schlecht“

Die Zahl der Verdachtsfälle im „Phänomenbereich“ Islamismus stieg indes leicht an: Waren es 2017 noch 46, so erhöhte sich die Zahl im Jahr 2018 auf 50. Beim Linksextremismus stießen die Ermittler auf zwei Verdachtsfälle (2017: 12). Die Zahl sogenannter „Reichsbürger“ oder Selbstverwalter sank im Jahresvergleich von 36 auf 20 Fälle. Solche Zahlen geben wenig Anlaß zur Sorge – angesichts von aktuell 181.274 aktiven Soldaten. 

Für mehr Aufsehen sorgt dann allerdings – ebenfalls am Freitag – die Überschrift „‘Reichsbürger’-Verdacht – Bundeswehr suspendiert Elitesoldaten“. Da schrillen gleich Alarmglocken. Zuerst hatte die Bild darüber berichtet, daß gegen einen Oberstleutnant des Kommandos Spezialkräfte (KSK) wegen der Verbreitung von „Rechtsextremismus in den sozialen Medien“ ermittelt werde. Der Betreffende sei vom Dienst suspendiert worden, außerdem dürfe er seine Uniform derzeit nicht tragen. Was genau dem Stabsoffizier zur Last gelegt wird, ist nicht ganz klar. So heißt es in Medienberichten, er habe das Amt des Bundespräsidenten in Frage gestellt oder erklärt, die Regierung habe die Lage nicht im Griff. 

Der ranghohe Elitekämpfer selbst schrieb in einer ersten Stellungnahme im Internet an „Werte Kameraden & Freunde“, man habe ihm „nach 28 Dienstjahren, davon 23 Jahren im Verband“, aus „dem Nichts heraus“ und ohne ihm die Möglichkeit einer Erklärung einzuräumen, „verboten die Uniform unserer Armee zu tragen, da man an meiner Treue zur Bundesrepublik Deutschland und zu unserer schützenswerten Grundordnung zweifelt“. Er habe daraufhin unter Tränen, wie er schildert, seine Uniform ausgezogen. „Wer mich kennt, weiß, daß ich ein zutiefst nationalkonservativer Patriot und zutiefst überzeugter Spezialkräfte-Soldat und Offizier bin, aber definitiv kein sogenannter ‘Nazi’“. Gegen diese Maßnahme und, wie er schreibt, die Verleumdungen sowie den Verstoß gegen Kameradschaft und Fürsorge werde er juristisch vorgehen. Er sei zur Zeit „am mentalen Tiefpunkt angelangt, aber ich werde als Kommandosoldat kämpfen“, kündigte der Oberstleutnant, der zu den ersten Mitgliedern der 1996 gegründeten Eliteeinheit gehört und einen ausländischen Generalstabslehrgang vorweisen kann, an.

Seine Beteuerung, an den Vorwürfen sei nichts dran, halten Kameraden des Offiziers für absolut glaubwürdig. Kommandosoldaten verfügen über eine sehr hohe Sicherheitsüberprüfung, es sei vollkommen unwahrscheinlich, daß da ein heimlicher Rechtsextremist, gar jemand mit Verbindungen ins Reichsbürger-Milieu dem MAD zuvor durchgerutscht sei. In diesen aufwendigen Verfahren werde die Verfassungstreue auf jeden Fall bestätigt. Und auf der anderen Seite: Wie plausibel sei es, daß jemand, der wie unter Reichsbürgern üblich die Existenz der Bundesrepublik leugne, über Jahre ausgerechnet in einer Einheit diene, die häufiger als andere in den – lebensbedrohlichen – Einsatz für die Interessen eben dieses Staates entsandt wird?

In Kreisen ehemaliger KSK-Angehöriger spricht man von einem „politisch motivierten“ Vorgehen. „Der ist kein Reichsbürger“, meint einer; höchstens ein Staatsdiener, der frustriert wegen Fehlentwicklungen in der Politik und der Armee „vielleicht ein paar undiplomatische Dinge gesagt hat, mehr aber auch nicht“. Und der Frust scheint sich auch auf andere zu übertragen. Denn: „Rückhalt vom Dienstherrn gibt es nicht.“

Die Stimmung in der Truppe sei „mehr als schlecht“, berichtet ein anderer. Auch weitere Soldaten aus der Einheit seien am Freitag nach Hause geschickt worden „wie Schuljungen“. Überhaupt: Daß es nur „Geraune“ um das gebe, was dem Kompaniechef vorgeworfen werde, sei besonders empörend. „Es ist nichts Konkretes genannt worden, weder der Betroffene noch sein Anwalt haben bisher Akteneinsicht erhalten, auch ein Gespräch mit dem MAD wurde verweigert“, beschwert sich ein Soldat. Fest steht offenbar: Es gab keine dienstlichen Vergehen, sondern alles soll im privaten Umfeld, in sozialen Netzwerken stattgefunden haben. „Er hat wohl das ‘Falsche’, sprich politisch nicht Opportune, geliked“, wird gemutmaßt. Die Rede ist unter anderem von Beiträgen der JUNGEN FREIHEIT. 

„Und wegen so etwas mußte er umgehend die Uniform ablegen ... Ein Vorgehen, das in der Regel nur beim Vorwurf einer schweren Straftat wie etwa Vergewaltigung angewendet wird“, empört sich ein Kamerad des Oberstleutnants: „Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit?“ 

Und noch etwas kommt erschwerend hinzu: Weil der Stabsoffizier nicht ein „einfacher“ Soldat, sondern an einer verantwortungsvollen Schaltstelle sitzt, kann er nicht von heute auf morgen dem Dienst fernbleiben. „Da müssen wichtige Sachen geregelt werden“, schildert ein früherer Kamerad das Dilemma. „Wir dürfen nicht vergessen: das KSK ist im Einsatz.“ Für die Sicherheit und Freiheit der Bundesrepublik Deutschland. Vielleicht ist das ab und an eine Schlagzeile wert.