© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Semper talis, stets gleich
Nachruf auf Jörg Schönbohm: Mit preußischem Pflichtbewußtsein diente der frühere Innenminister Brandenburgs an führender Stelle in Armee und Politik
Detlef Kühn

Mit Jörg Schönbohm verstarb vergangene Woche einer der wenigen noch verbliebenen Konservativen, die in der Politik im Nachkriegs-Deutschland bedeutende Aufgaben übernehmen durften. Geprägt wurde sein privates wie berufliches Leben durch die vernichtende Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und die anschließende Teilung des Landes, sowie durch den Kalten Krieg in Europa und der Welt zwischen dem Westen und dem kommunistischen Lager, der ja durchaus nicht immer „kalt“ war, sondern auch blutig und verlustreich geführt wurde. 

Schon als Siebenjähriger floh Schönbohm mit seiner Familie 1945 vor den Russen in den Westen Deutschlands. In seiner Gefühlslage blieb er immer ein Gesamtdeutscher, auch und gerade als Berufssoldat, der in der Bundeswehr eine steile Karriere absolvierte, in der er als Generalleutnant die Wiedervereinigung 1990 erlebte. Sie stellte ihn vor eine Herausforderung ganz eigener Art: Am 3. Oktober 1990 übernahm er in Strausberg bei Berlin die Aufgabe, das Ende der Nationalen Volksarmee der DDR zu organisieren und dabei rund 14.000 Angehörige der NVA dauerhaft in die Bundeswehr zu übernehmen. Als Befehlshaber des Bundeswehrkommandos Ost und danach als Inspekteur des Heeres hat Schönbohm diese abenteuerliche Aufgabe in relativ kurzer Zeit erfolgreich abgeschlossen. Über seine Erlebnisse und Erfahrungen hat er 1992 in einem Buch berichtet, dessen Titel schon seine Art des Vorgehens beschreibt: „Zwei Armeen und ein Vaterland.“ Sein damaliges Credo: „Nicht Sieger kommen zu Besiegten, sondern Deutsche zu Deutschen.“ Viele Soldaten der NVA hörten das gern. Das Buch kann heute noch mit Gewinn gelesen werden, weil es die durchaus unterschiedlichen Mentalitäten und Prioritäten der damaligen Akteure erkennen läßt. Nach seinem Ausscheiden aus dem militärischen Dienst begann Schönbohms zweite, die zivile Karriere – anfangs noch als beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung. In dieser Zeit legalisierte er sein bislang inoffizielles Sympathie-Verhältnis zur CDU durch den Beitritt zur Partei. Von 1996 bis 1998 war er in Berlin als Innensenator aktiv, von 1999 bis 2009 ebenfalls als Innenminister im Land Brandenburg. Auch über diese Erfahrungen hat er in einem Buch berichtet: „Wilde Schwermut. Erinnerungen eines Unpolitischen.“ (JF 8/10). Der Titel klingt kokett. Der Inhalt beweist aber, daß Jörg Schönbohm alles andere als unpolitisch war.

Jörg Schönbohm wurde in der CDU durchaus als bekennender Konservativer wahrgenommen, aber immer weniger geschätzt. Daß er trotzdem so lange als Innenminister in Brandenburg wirken konnte, lag daran, daß er dort einen völlig zerstrittenen und durch Inkompetenz gekennzeichneten Landesverband übernommen hatte, den er stabilisierte. Er war eben nicht nur konservativ, sondern auch pragmatisch, was ihn aber in den Augen der Parteivorsitzenden Merkel nicht sympathischer machte. Sie duldete zwar, daß er als konservatives Feigenblatt in das Präsidium der CDU gewählt wurde. Als er dann aber wagte, die Vorsitzende auch öffentlich wegen ihrer Politik zu kritisieren, sorgte sie dafür, daß er durch den „progressiven“ Friedbert Pflüger ersetzt wurde. Frau Merkel brauchte keine konservativen Wähler mehr. Schönbohm zog sich in den letzten Jahren wegen gesundheitlicher Probleme mehr und mehr ins Privatleben im märkischen Kleinmachnow bei Berlin zurück. In der Nacht zum Freitag vergangener Wocher erlag er im Alter von 81 Jahren einem Herzinfarkt.

In seiner Partei werden nur noch wenige den pragmatischen Konservativen vermissen. Für viele andere kann der nationalbewußte Pragmatiker aber noch lange ein Vorbild sein. 






Detlef Kühn war von 1972 bis 1991 Präsident des Gesamtdeutschen Instituts in Bonn.

 Ein Interview der JUNGEN FREIHEIT mit Jörg Schönbohm: https://bit.ly/2TIEhNT