© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Ländersache: Thüringen
Bodo Ramelow sorgt vor
Paul Leonhard

Die rot-rot-grüne Landesregierung will für die Zukunft Pflöcke einschlagen, die den politischen Kurs des Freistaates Thüringen weit über die jetzige Legislaturperiode hinaus bestimmen könnten. Denn Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ist sich unsicher, ob die Mehrheit der Wähler seine Experimente weiterhin trägt, sprich den drei linken Parteien bei den Landtagswahlen am 27. Oktober ein Weiterregieren ermöglichen wird. Nach aktuellen Umfragen könnte das bürgerliche Lager aus CDU, AfD und FDP mit zusammen 48 Prozent eine Neuauflage der linken Koaliton verhindern. 

Deswegen hat Ramelow einen Kniff gewagt, der in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig ist: Sein Kabinett hat ein Haushaltsgesetz vorgelegt, das ausschließlich für eine zukünftige Wahlperiode gilt. Ende Januar wurde darüber erstmals im Landtag beraten, bis Juni soll es mit einem Rekordetat von elf Milliarden Euro verabschiedet werden. Die Empörung bei der Opposition ist groß. CDU und AfD sehen einen Verstoß gegen die Verfassung, wobei sie ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Landtages bestärkt. 

„Ein solcher Gesetzesbeschluß wäre mit verfassungsrechtlichen Risiken behaftet“, heißt es darin. Risiken ergäben sich aus dem „besonderen Rang des Budgetrechts“ und dem „Grundsatz der zeitlichen Begrenzung demokratisch legitimierter Herrschaft“. Bisher hätte noch keine Parlamentsmehrheit im Wahljahr einen Einzelhaushalt für das nächste Jahr verabschiedet. Damit existiere auch kein einschlägiges Urteil. 

Auch Grundgesetzkommentare warnen vor einer Aushöhlung des parlamentarischen Budgetrechts: „Keinesfalls darf der beschlossene Haushaltsplan deshalb über das Ende des Rechnungsjahres hinausreichen, in dem die Legislaturperiode endet“, zitiert die Welt. Ähnlich sieht es der Bundesrechnungshof.

Ministerpräsident Ramelow begründet sein Vorgehen mit mehr Planungssicherheit für den Fall, daß es nach der Wahl länger dauert, bis sich eine regierungsfähige Koalition zusammenfindet. Dann nämlich bleibt der Linken-Politiker vorerst im Amt. Dieses verliert selbst ein Minsterpräsident, der von keiner Mehrheit der Abgeordneten mehr unterstützt wird, nach der Thüringer Verfassung erst, wenn ein Gegenkandidat von einer Mehrheit im Parlament gewählt worden ist. Das könnte aber durchaus dauern, solange die CDU weiterhin eine Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt.  

Vielleicht sind diese politischen Scheuklappen auch der Grund dafür, warum CDU-Fraktionschef Mike Mohring zwar lauthals beklagt, daß der Regierung mit ihrem Eingriff in das Budgetrecht des Parlaments der „Respekt vor dem Wählervotum“ fehle, aber trotz juristischer Rückendeckung durch das Gutachten den Klageweg scheut. Man führe die Auseinandersetzung im Parlament, nicht vor Gericht, sagte er der dpa. Er wolle im Wahljahr die juristische Auseinandersetzung um den Haushalt vermeiden und die Auseinandersetzung mit Rot-Rot-Grün inhaltlich führen. Auch die AfD ist sich noch uneins, ob sie den Klageweg beschreitet. 

Zwar keine Einzelhaushalte, aber Doppelhaushalte, die auch für das Jahr nach der Parlamentsneuwahl galten, wurden bisher von den Landtagen Bayerns, Hessens und zuletzt Brandenburgs beschlossen.