© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Drum prüfe, wer wen prüfe
Verfassungsschutz: Die AfD sieht sich durch die Behörde in ihren Rechten beschnitten und hat Klage eingereicht / Parteinachwuchs vor wichtiger Weichenstellung
Christian Vollradt

Stigmatisierend und ehrschädigend“ sei es für die AfD, wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in seinen offiziellen Verlautbarungen die Partei als „Prüffall“ nennt. Deswegen haben die beiden Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland vergangene Woche die Ankündigung (JF 5/19) wahr gemacht und die Kölner Behörde verklagt. Dem Verfassungsschutz sei ein Informieren der Öffentlichkeit gesetzlich nur dann erlaubt, „soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte (für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, Red.) vorliegen“. 

Da das Bundesamt jedoch „selbst nur einen ‘Prüffall’ beschreiben kann, hat es positiv zugestanden, daß derartige Anhaltspunkte gerade nicht vorliegen“, heißt es in der Klageschrift, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Die Bezeichnung der AfD als „Prüffall“ beeinträchtige sie dahingehend, „daß sie nicht ungehindert am politischen Geschehen, insbesondere dem Werben um Stimmen, Mitglieder und Spenden teilnehmen kann“. 

„Der Staat verstößt damit gegen das Neutralitätsgebot“

Mit seinem Vorgehen habe das Bundesamt die im Grundgesetz festgeschriebene Chancengleichheit für politische Parteien sowie das Recht der AfD auf freie Meinungsäußerung verletzt und gegen das Gebot staatlicher Neutralität verstoßen: „Durch die öffentliche Einordnung als Prüffall durch den Staat hat dieser den öffentlichen Diskurs in ungerechtfertigter Weise mitgestaltet und unsere Mandantin politisch in einer demokratiefeindlichen Ecke positioniert, die ihren Grundsätzen widerspricht“, sind die Anwälte der Partei überzeugt. Denn diese bejahe „ausdrücklich und uneingeschränkt die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“, und dies bilde „ein Kernelement ihrer politischen Tätigkeit“. 

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang hatte es zuvor abgelehnt, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Die Entscheidung darüber liegt nun beim Verwaltungsgericht in Köln. Offenbar auf Anraten der Richter hat das BfV in einem ersten Schritt die Pressemitteilungen des vergangenen Monats zum Thema AfD (vorläufig) von seiner Internetseite genommen.

Ob der Verfassungsschutz seinerseits „wegen der Weitergabe vertraulicher Informationen zur AfD an die Medien Strafanzeige stellen wird“, ist noch nicht entschieden,  teilte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings, in seiner Antwort auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm (AfD) mit. Die Prüfung dauere noch an. Unterdessen spielt das Thema Verfassungsschutz auch auf dem Bundeskongreß der Jungen Alternative (JA) am Wochenende in Magdeburg eine Rolle.  Spätestens seit der Einstufung der JA zum „Verdachtsfall“, verzeichnet die AfD-Nachwuchsorganisation zahlreiche Austritte. Schätzungen besagen, der einst 1.900 Mitglieder starke Verband habe in jüngster Zeit rund 500 Abgänge zu verzeichnen. Offiziell ist jedoch von lediglich 250 Austritten die Rede. 

Einer der wesentlichen Programmpunkte ist die Satzungsänderung. Eine Mehrheit im Bundesvorstand plädiert unter anderem für die Abschaffung der Schiedsgerichte, um so innerparteiliche Problemfälle leichter ausschließen zu können. Daran, so ist zu hören, habe auch die AfD-Spitze größtes Interesse. Nicht ohne Grund wird der Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Verfassungsschutz“, Roland Hartwig, am Bundeskongreß teilnehmen. Setzt sich der JA-Vorstand nicht durch, hätte das eine verheerende Außenwirkung, heißt es in Parteikreisen. Relevant für das weitere Verhältnis des unruhigen Jugendverbands wird auch die anstehende Vorstandswahl sein. Derzeit einziger (bekannter) Kandidat für den Vorsitz ist Amtsinhaber Damian Lohr. Als Stellvertreter kandidieren unter anderem Jörg Meuthens Büroleiter Tomasz Froelich sowie Mary Khan aus Hessen, die beide dem moderaten Lager zugeordnet werden. 

Manche beurteilen die Perspektive der JA pessimistischer. Es sei mittlerweile schwierig, an „vernünftige junge Leute, die sich engagieren wollen“, heranzukommen, bedauert ein Ex-Mitglied. In Hamburg haben sich inzwischen ehemalige JAler unter dem etwas sperrigen Namen Freiheitlich-konservative Jugend Hamburg (Jukons) zusammengeschlossen. Sie wollen auf dem Landesparteitag der AfD in der Hansestadt als neue Nachwuchsorganisation anerkannt werden.