© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Wenn Feministen sich selbst erforschen
Gender-Aktivitäten an den Universitäten: Nur für Frauen und „Transmenschen“ – zum Schaden der Wissenschaft
Hinrich Rohbohm

Die Gruppe am Vorlesungssaal ist überschaubar. Und weiblich. Nein, viele männliche Teilnehmer scheint der Studiengang „Gender Studies“ an der Universität Bielefeld nicht zu haben. Entsprechend irritiert blicken sich die Studentinnen an, als plötzlich ein Mann sich zu ihrer Gruppe gesellt. Scheint offenbar nicht so oft vorzukommen. Noch verstörter werden die Mienen nach der ersten Frage. „Was kann man mit eurem Studiengang später eigentlich anfangen?“ Neben Verstörtheit spiegeln die Gesichter der jungen Frauen auch eine Mischung aus Erstauntheit und Entrüstung wider.

Eine Antwort läßt lange auf sich warten. „Was soll denn überhaupt diese Frage?“ kommt es zurück. Dann folgen Sätze, die den Laien nicht unbedingt schlauer machen. „Es gibt eine steigende Nachfrage im Bereich der Information über die Geschlechterverhältnisse“, setzt eine der Damen zu einer Erklärung an. Aha. „Mit Gender Studies ist man für eine Fülle von Berufsfeldern qualifiziert“, versucht es die nächste. Welche? „Also überall, Politik, Wirtschaft, Medien, Verwaltung und so weiter.“ Verkäufer scheint nicht zum Verwendungsbereich eines Gender-Wissenschaftlers zu gehören. Wissenschaft? Da gehen die Meinungen auseinander. Während sie es für Linke zweifelsohne ist, wird Gender in bürgerlichen Kreisen allenfalls als Pseudo-Wissenschaft oder gleich als Irrsinn bezeichnet.

Verwunderlich ist das nicht. Denn so manche Bildungsangebote aus dem Umfeld der Gender-Aktivisten wirken mehr als bizarr. Und der Arm ihrer Sympathisanten reicht zumeist weit in die Organe der verfaßten Studentenschaft, die ASten der Hochschulen, hinein. „Doch, die meinten das vollkommen ernst“, versichert Tim und schmunzelt. Der 23jährige studiert in Bielefeld Wirtschaftswissenschaften und hatte selbst kaum wahrhaben wollen, was der dortige Allgemeine Studentenausschuß (AStA) im vorigen Jahr für ein bizarres Seminar anbot. „Möseale Ejakulation – Die Votzen spritzen zurück“, lautete der Titel dieses „Bildungsangebotes“, das der AStA den Studentinnen während sogenannter „Aktionstage geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung. Gesellschaft macht Geschlecht“ vorsetzte. Ein Workshop, bei dem die Damenwelt eine spezielle Art des Masturbierens erlernen und praktizieren konnte.

Workshop nur für Frauen bezahlt vom Geld von allen

„Einige Kommilitonen hatten sich einen Spaß daraus gemacht und wollten daran teilnehmen“, berichtet Tim. Ging aber nicht. „Weil sie männlich waren“, erinnert er sich amüsiert an das Studienangebot zurück, das sich an der Uni „wie ein Lauffeuer“ verbreitet hatte. „Nur Frauen und trans*“, stand auf dem Anmeldezettel. Männer mußten draußen bleiben. „Da kann man sich durchaus mal fragen, was das noch mit Wissenschaft zu tun haben soll“, gibt Tim zu bedenken.

Mit 250 Euro schlug der Kurs zu Buche. Den nahm sich die Studentenvertretung von den Beiträgen aller Immatrikulierten. „Wir können überhaupt nicht verstehen, warum der AStA das mit studentischen Mitteln finanziert, wenn das Seminar nicht für alle Studenten zugänglich ist“, fragte Kathrin Krause vom RCDS Bielefeld kritisch nach. Reaktionen der Bielefelder Universitätsleitung: Fehlanzeige. Nicht mal ein Zeichen der öffentlichen Mißbilligung hatte man dafür übrig.

Man könnte solch einen Fall als Irrsinn einer überdrehten Studentenvertretung abtun. Doch der Irrsinn an deutschen Universitäten entwickelt sich zunehmend zur Regel, gewinnt nicht nur an Hochschulen an Einfluß. Gerade erst hat die Stadt Hannover in ihrer Verwaltung eine „gendergerechte“ Sprache eingeführt, die ganze Worte verschwinden läßt. Soll man demnächst wirklich zum Professor ProfessX sagen, Vater und Mutter zum Elternteil degradieren und das Rednerpult in ein Redepult verwandeln? Ja, sagen alle fünf aus der Frauen-Gender-Studies-Gruppe. „Da müssen die Männer durch, ist überfällig“, meint eine von ihnen todernst und verzieht keine Miene. Ihre Äußerungen lassen erahnen, daß sich hinter der sperrigen, unverständlichen Gender-Fassade ins Extrem gedrehter, verbissener Feminismus verbirgt.

„Bei uns hat der AStA eine Veranstaltung zu feministischen Pornos durchgeführt.“ Ein Vertreter des Studentenparlaments der Universität Kiel spricht gegenüber der JF von einer ähnlichen Aktion, die vergangenes Jahr ebenfalls aus Semesterbeiträgen finanziert worden war. „Sie wollten extra Pornos entwickeln, die Frauen ansprechen.“

„Feministische Pornos?! Vortrag zur Arbeit beim PorYes-Award“, lautete der Titel der AStA-Veranstaltung vom 16. April 2018. „Die Zeit ist reif für respektvolle Darstellungen, die die weibliche Lust sowie die aller Geschlechter und Spielarten gleichwertig und einvernehmlich zeigen“, warb die Studentenvertretung für die Veranstaltung. Der PorYes-Award ist ein feministischer Pornofilmpreis, den die gleichnamige Bewegung gemeinsam mit dem sogenannten „Netzwerk Freudenfluß“ vergibt. Maßgebliche Antreiberin des Projekts ist die Kommunikationswissenschaftlerin Laura Méritt, eine Ikone der Gender-Szene, die sich seit den achtziger Jahren vor allem in der Frauen-, Lesben- und Hurenbewegung einen Namen gemacht hat. 

Gerade in den sogenannten „Gender Studies“, die zunehmend die Universitäten durchdringen, laufen die Fäden für derartige Projekte zusammen. Denn längst schon ist deren Einfluß nicht nur auf die ASten beschränkt. Hochbezahlte hauptamtliche Stabsstellen sogenannter Gender- und Diversity-Beauftragter wirken weit in administrative Entscheidungsprozesse hinein. So schreibt etwa das schleswig-holsteinische Hochschulgesetz (in der Fassung vom 5. Februar 2016) in Paragraph 27a für Einrichtungen mit mehr als 5.000 Studenten zwingend vor, eine Beauftragte oder einen Beauftragten für Diversität hauptberuflich einzustellen, die oder der fachlich weisungsfrei agieren kann, Dienstwege nicht einzuhalten braucht und in nahezu allen Gremiensitzungen einer Hochschule über Antrags- und Rederecht verfügt. Eine Funktion, die bei Kritikern durchaus Parallelen mit dem einstigen Politkommissar in der Sowjetunion aufkommen lassen kann.

Noch eine Stufe weiter geht es an der Stiftungsuniversität Leuphana in Lüneburg. Dort ist die Ausbildung in Gender Studies sogar ein Einstellungskriterium. So seien „Erfahrungen in Geschlechter- und diversitätsbezogener Forschung und Lehre/Lehrinhalten“ ein „dringend gewünschtes“ Kriterium für die Einstellung.

Eine weitere fragwürdige Praxis dieser Universität: Im Studentenparlament dürfen zwar zwei Frauen zu Vorsitzenden gewählt werden, zwei Männer jedoch nicht. „Wie das noch mit Demokratie vereinbar sein soll, erschließt sich mir nicht“, kritisiert ein Vertreter des RCDS Lüneburg gegenüber der JF (Name ist der Redaktion bekannt). „Bei uns gibt es inzwischen auch Gender-Toiletten.“ Und: „Der AStA würde noch viel mehr umwandeln, aber die Uni hat kein Geld mehr dafür.“ Fast klingt es bei dem christdemokratischen Studentenvertreter, als sei er angesichts der Ausgabenpraxis erleichtert darüber.

Gender-Erfahrungen dringend gewünscht 

Auch an der Universität Göttingen hat sich die Gender-Lobby längst ihre eigene Infrastruktur aufgebaut. Neben einem Studiengang für Geschlechterforschung wird eine „Transgenderberatungsstelle“ von der Universität finanziert. Und auch hier existieren inzwischen Gender-WCs. Zunächst als Pilotprojekt für die Dauer eines Jahres. Im Oeconomicum, dem Hauptgebäude der Wirtschaftswissenschaftlichen und der Sozialwissenschaftlichen Fakultät am Platz der Göttinger Sieben, heißt der Lokus jetzt „HerrenTrans*InterToilette.“ Ein sperriger Begriff, nicht leicht lesbar, verwirrend. Doch offenbar geht es bei der Durchsetzung solcher Vorhaben auch um reine Symbolpolitik. „Jeder weiß, das ist eine ganz normale Herrentoilette. Nur das Schild wurde ausgetauscht. Ich habe da noch nie einen Transsexuellen rein- oder rausgehen sehen“, meint ein Student dazu. 

Nach unserer journalistischen Beobachtung, die notwendigerweise eine Stichprobe bleibt, suchten innerhalb einer Spanne von anderthalb Stunden vier Herren das stille Örtchen auf. Vier  ganz normale Männer.

Die JF fragt nach der Sinnhaftigkeit des neu beschilderten Aborts. Fragt dort, wo sie es wissen müßten. Am Studiengang für Geschlechterforschung. Eine etwas molligere Frau, Mitte Zwanzig, kurze rot gefärbte Haare, gibt sich gesprächsbereit.

„Es spielt doch überhaupt keine Rolle, wie stark das jetzt frequentiert ist. Fakt ist nun mal, daß es mehr als zwei Geschlechter gibt. Da nichts anzubieten ist doch für Betroffene diskriminierend, da müssen wir einfach auch mal umdenken können“, meint sie nur. Die Frage bleibt, wer mit „wir“ gemeint ist.