© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Grüße aus Brüssel
Die schwarze Seilschaft
Albrecht Rothacher

Der Residenzpalast war 1940 das modernste und schickste Gebäude in Brüssel. Deshalb nutzten es bis 1944 die deutschen Besatzungsbehörden in Belgien. Jetzt lud die Adenauerstiftung ein, um auf Kosten der Steuerzahler für die CDU EU-Wahlkampf zu machen. 

Unionschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) tritt auf. Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei Manfred Weber ist die Vortruppe. Der Empfangssaal ist voll. In Brüssel regiert dank Martin Selmayr als Generalsekretär und dem Kabinett von Günther Oettinger unter den deutschen EU-Beamten nur noch die schwarze Seilschaft. Da empfiehlt es sich, fürs Lobbying in eigener Sache gesehen zu werden und im richtigen Moment laut zu klatschen. Obwohl unentwegt Wein und Sekt ausgeschenkt werden, will eine richtige Bierzeltstimmung nicht aufkommen.

Weber erzählt, daß er auch ohne Verwaltungserfahrungen ein guter Kommissionspräsident werden wird, und als Ausweis seiner Bodenhaftung, daß er sich bei der Sonntagsmesse in Niederhatzkofen immer mit Weihwasser bekreuzigt. Er will eine große Koalition in Europa organisieren: Schwarz, Rot, Gelb und Grün. Niemand glaubt’s. Doch was er besser oder anders machen will als Juncker, bleibt unausgesprochen. 

Eher glaubt man, daß Angela Merkel Donald Tusk im Juli als Ratspräsidentin beerben will.

AKKs Rede ist genauso müde und inhaltsarm. Nur als sie sagt, die EU sei so ein schönes Friedensprojekt, daß sich CDU und CSU sogar jetzt wieder vertragen würden, kommt Gelächter auf. Weber müsse die Kommission leiten, das seien wir der Demokratie schuldig. Am Beispiel des Saarlandes deklinierte sie die Freuden der deutsch-französischen Freundschaft durch und beschwor als die Gründerväter der EU Schuman, Adenauer, Kohl – und nach einer Pause „aber auch Angela Merkel“. Eine Europäische Armee muß her, denn wir sind von Feinden umzingelt und vom Brexit geschwächt: Die Chinesen als Weltmacht. Trump macht, was er will, Putin und Erdogan sowieso.

Nach dem Ende des europäischen Feldgottesdienstes für die bereits Bekehrten wendet sich das Publikum dem Buffet und spannenderen Fragen zu, wie freiwerdenden Direktorenstellen und den nächsten Beförderungen. Auf den braven Weber setzt niemand einen Groschen. Eher glaubt man, daß Peter Altmaier als Kommissar nach Brüssel kommt und daß Merkel vor ihren Wahlniederlagen im Herbst Donald Tusk im Juli als Ratspräsidentin beerbt. Diese Vision begeistert jedoch auch das eigene Wahlvolk nicht.