© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Profis sind rechtzeitig geflüchtet
Euro-Alternativen: Nach massiven Kursverlusten bleiben Kryptowährungen nur für risikoaffine Anleger eine strategische Alternative / Steigender Stromverbrauch
Marc Schmidt

Zum Jahreswechsel existierten weltweit mehr als zweitausend verschiedene Kryptowährungen mit einem Gesamtwert von etwa 127 Milliarden Dollar. Von der Masse der existierenden elektronisch erzeugten digitalen Zahlungsmittel schafften weniger als die Hälfte einen weltweiten Tagesumsatz von mehr als 10.000 Dollar, was dem Umsatz eines kleineren Supermarkts entspricht. Bei diesem Gesamtwert ist zu berücksichtigen, daß die älteste, größte und bekannteste Kryptowährung, der 2009 erstmalig gehandelte Bitcoin, im Lauf des Jahres 2018 85 Prozent seines Werts verloren hat (JF 25/18).

Diese dramatische Wende erfolgte nach einer Kursentwicklung von +1.832 Prozent bis zum Frühjahr 2018. Am Ende liegt – nach einem zwischenzeitlichen Kurs von mehr als 20.000 Dollar pro Bitcoin – sein aktueller Wert bei nur noch 3.000 Dollar, mit weiter fallender Tendenz. Die Programmierer des Bitcoins haben seine Menge über die benötigte Rechnerleistung für die bekannteste Kryptowährung auf 21 Millionen Einheiten limitiert, von denen bisher zirka 16,5 Millionen Einheiten erschaffen worden sind. Mit jedem neu produzierten Bitcoin steigt der „Mining“-Aufwand für die nächste Einheit an.

Viele private Anleger waren sich der Schwankungsrisiken der vermeintlich immer wertgewinnenden Kryptowährungen nicht bewußt. Der massive Kursverlust von 17.000 Dollar pro Bitcoin hat Kleinanleger wesentlich härter getroffen als die starken Kräfte am Markt. Insgesamt gehören mehr als die Hälfte des Theoriegelds Bitcoin etwa 1.000 Anlegern. Diese hatten sich allerdings auf Grund überlegener Marktkenntnisse oft rechtzeitig in andere Kryptowährungen geflüchtet und so 2018 ein Volumen von 700 Milliarden Dollar (zum damaligen Kurs) abgezogen. Diese Summe entspricht dem Börsenwert von Amazon, zeigt aber eine weitere Schwäche von Kryptowährungen anschaulich auf. 

Man kann Bitcoin auf Börsen kaufen und verkaufen und in klassische Währungen wandeln. Dies ist aber nur zum jeweiligen Kurswert möglich, und die Zahl der Käufer ist, anders als an der Börse, überschaubar. Zudem dauern Transaktionen, genau wie das Erstellen neuer Einheiten (Mining) durch bereitgestellte EDV-Leistung, recht lang. Im Gegensatz zu einer kontrollierten Börse gibt es also erhebliche Zeitverzögerungen zwischen für den Kurs relevanten schlechten Nachrichten und den möglichen Reaktionen der Anleger.

China blockiert den Zugang

Schlechte Nachrichten für Bitcoinanleger gab es vergangenes Jahr reichlich. Finanzminister entdecken den Bitcoin als zu besteuerndes Vermögen, Aufsichtsbehörden lehnen Fonds auf Bitcoinbasis aus Sicherheitsgründen ab, China blockiert den Zugang chinesicher Anleger zu Plattformen. Das Mining und der Bitcoinkurs geraten unter Manipulationsverdacht durch große Anleger und leistungsstarke Produzenten. Diese stellen Rechnerleistung zur Verfügung, mit der das Bitcoinsystem immer mehr erweitert wird. Da die Blockchaintechnologie, verkürzt gesagt, beinhaltet, daß theoretisch jeder Transfer auf jedem beteiligten Rechner gespeichert wird, steigt der Aufwand des Speicherns der Daten exponentiell an. Zwar können sich auch Besitzer kleiner Computer über Pools an der Produktion neuer Einheiten als durch den Algorithmus zugeteilter Belohnung beteiligen, dominiert wird das Mining jedoch von wenigen Anbietern großer Rechenkapazitäten. Es sind entsprechend diese Anbieter, die den Bestand und das Wachstum jedes Kryptowährungssystems sicherstellen.

Der niederländische Ökonom Alex de Vries rechnete im Mai 2018 im Magazin Joule vor, daß das Bitcoin-Mining inzwischen dem Stromverbrauch Irlands entspreche. Wegen der Energie- und Hardwarekosten lohnt sich das nur bei einem hohen und mit steigendem Aufwand steigenden Kurs. Sind diese Kurse nicht zu erwarten, werden Produzenten aus dem Mining aussteigen und ihre Bestände verkaufen, was den Bitcoinkurs mit einer negativen Spirale weiter senken wird. Die problematischen Umweltauswirkungen der Bitcoinproduktion würde dieses Szenario nicht abmildern, denn die vorhandene Rechnerleistung würde lediglich für andere Kryptowährungsprojekte genutzt. Zudem wäre die Zeit der Flucht aus der Währung mit zahlreichen Überweisungen verbunden, die ebenfalls über die beteiligten Rechner laufen. Bereits heute verbraucht eine Bitcoinüberweisung so viel Strom wie ein energieeffizienter Kühlschrank in anderthalb Jahren.

Für interessierte Kleinanleger bleibt als Fazit, daß ein Investment nur bei hoher Risikobereitschaft zu empfehlen ist. Auch auf lange Sicht sind steigende Kurse bei den großen Kryptowährungen nicht selbstverständlich. Andererseits sind Bitcoin zweifellos eine Alternative für Menschen, die Geldvermögen abseits von politischen Währungsrisiken parken wollen, denn der theoretische Wert ist an kein nationales Währungssystem gekoppelt.

„Bitcoin‘s Growing Energy Problem“:  www.cell.com