© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Mit Mönch und Jungfrau auf Kriegspfad
Vor 500 Jahren startete der Konquistador Hernando Cortés seine folgenreiche Expedition nach Mexiko
Jan von Flocken

Sonderlich beeindruckend erschien die Streitmacht der Spanier nicht: Elf Schiffe, darunter sieben kleine Brigantinen, mit 100 Seeleuten und 553 Soldaten. Gemessen an dem, was diese Männer zuwege bringen sollten, präsentierte sich auch ihre Bewaffnung eher kümmerlich, zählte sie doch nur 13 Handfeuerwaffen (Arkebusen), 32 Armbrüste, zehn Bronzegeschütze sowie vier Falkonette (leichte Kanonen). Ansonsten waren die künftigen Konquistadoren mit Schwertern, Lanzen und Dolchen bewaffnet. Und die hernach so sehr gefürchtete Reiterei, deren Auftauchen – ebenso wie der Donner spanischer Schußwaffen – häufig lähmendes Entsetzen verbreiten würde, verfügte anfangs über nur 16 Pferde.

Kubas Gouverneur verbot Eroberungen ausdrücklich

Niemand konnte im entferntesten ahnen, daß jene Flotte, die am 18. Februar 1519 von Kuba absegelte, bald Weltgeschichte schreiben würde. Doch ihr Anführer, der 34jährige Hernán Cortés de Monroy y Pizarro, war ein Mann von eiserner Willenskraft und skrupellosem Tatendrang. Dem niederen Adel der Hidalgos aus Medellin in der Extremadura entstammend, studierte er Jura an der Universität von Salamanca. Nach vier Semestern verließ er Spanien. Ihn lockte die Neue Welt, und überdies wollte der Familienrat ihn aus der Schußlinie nehmen, weil etliche betrogene Ehemänner dem jugendlichen Tunichtgut mit blutiger Rache drohten.

So traf er schon 1504 auf der Insel Hispaniola (heute Haiti und Dominikanische Republik) ein und avancierte zum Ratsschreiber der neugegründeten Stadt Azua. Im Jahre 1511 begleitete er den Statthalter Diego Velásquez bei der Eroberung von Kuba und wurde wegen seiner Tüchtigkeit dessen Sekretär, nachdem dieser zum Gouverneur der Insel ernannt wurde. Als Alcalde (Bürgermeister) der Stadt Santiago schien seine Karriere beendet. Denn immer wieder machte Cortés mit Frauengeschichten negativ von sich reden. Als er sich weigerte, die von ihm verführte Jungfrau Catalina Suárez zu heiraten, ließ ihn Velázquez sogar für einige Zeit ins Gefängnis werfen, denn die Familie Suárez gehörte zu den mächtigsten der neueroberten Insel. Auf Druck des Gouverneurs willigte Cortés schließlich in eine Ehe mit Catalina ein, die übrigens kinderlos blieb.

Allmählich wurde es Hernán Cortés langweilig auf Kuba. „Ich kam, um Gold aufzuhäufen, und nicht, um den Boden zu beackern wie ein gemeiner Bauer“, erklärte er. Zwei Expeditionen, 1517 unter Francisco Hernández de Córdoba und 1518 unter Juan de Grijalva, waren an der Küste von Mexiko Berichte über sagenhafte Reichtümer der Maya im Landesinneren zu Ohren gekommen. Das weckte großes Interesse bei Cortés. Sein Einfluß reichte bereits so weit, daß der Gouverneur ihn als „Kapitängeneral“ zum Anführer eines erneuten Streifzuges Richtung Westen ernannte. In dieses Unternehmen investierte Cortés sein gesamtes Vermögen. 

Über das Kap Antonio an Kubas Westspitze segelten die Spanier westwärts. Die nautische Führung lag in den bewährten Händen von Antón de Alaminos, der schon als Steuermann von Christoph Columbus gedient hatte und mehrere Expeditionen zum amerikanischen Festland unternahm, so 1513 mit Juan Ponce de León nach Florida.

Eigentlich war das Unternehmen von Cortés illegal. Kubas Gouverneur Velásquez hatte seine Mission darauf beschränkt, den einsetzenden Tauschhandel mit den Eingeborenen weiterzuführen, die Wind- und Seeverhältnisse entlang der mexikanischen Ostküste zu erkunden und alle Ergebnisse auf Seekarten zu notieren. Eine Landung mit dem Ziel von Eroberungen wurde ausdrücklich untersagt. Doch Cortés, ein gnadenloser Selbstdarsteller, verkündete den Teilnehmern seiner Expedition, meist junge Abenteurer aus Spanien, aber auch aus Genua, Neapel und Portugal, ganz offen: „Ich werde euch in kurzer Zeit zu den reichsten Männern machen, die je aus Spanien hierher gekommen sind.“ Vor dem mißtrauischen Gouverneur mußte sich Cortés regelrecht aus dem Hafen von Santiago davonstehlen und Ausrüstung sowie Proviant erst in der Gegend von Villa de San Cristóbal da la Habana (Havanna) aufnehmen, damals ein unbedeutendes Nest, das offiziell erst im November 1519 als Stadt gegründet wurde.

Mit seinem Flaggschiff „Santa Maria de la Concepción“ landete der Konquistador zunächst Ende Februar auf der Insel Cozumel vor der Küste der Halbinsel Yucatán. Hier berichteten Einheimische von zwei Christen, die seit einigen Jahren bei den Maya lebten. Einer von ihnen, Gerónimo de Aguilar, konnte nach kurzer Suche aufgespürt werden. Der Franziskanermönch Aguilar war 1511 mit seinem Schiff „Santa Maria de la Barca“ vor der Küste von Yucatán im Sturm gestrandet und sollte mit anderen Überlebenden den Göttern der Maya geopfert werden. Ihm gelang jedoch die Flucht in den Regenwald. Danach wurde er von einem anderen Maya-Stamm gefangengenommen und als Sklave gehalten. Binnen acht Jahren erlernte Aguilar die Sprache der Einheimischen, was sich als großer Glücksfall erweisen sollte, denn der Mönch diente hinfort als Dolmetscher.

Maya-Sklavin wurde zur Kundschafterin von Cortés

Am 12. März 1519 erfolgte eine zweite Landung in der Nähe von Potonchán am Tabasco-Fluß. Hier erhielten die Spanier nach kurzem Kampf mit dem ansässigen Maya-Stamm 20 Sklavinnen als Geschenk. Unter ihnen befand sich eine junge Frau namens Malintzin (Cortés Männer nannten sie nach ihrer christlichen Taufe „Dona Marina“), deren adlige Eltern sie verstoßen hatten. Sie beherrschte sowohl das Maya-Idiom als auch die Sprache der Azteken Nahuatl. Dadurch wurde das kluge und hochgebildete Mädchen für die Eroberer sehr wertvoll, und der unverbesserliche Frauenheld Cortés nahm die kaum 15jährige zu seiner Geliebten. Ohne ihre Sprachkenntnisse, ihre Vertrautheit mit den Sitten der Einheimischen und ohne ihre späteren Vermittler- und Warndienste wären die Eroberer auf weit größere Schwierigkeiten gestoßen und hätten viel verlustreichere Kämpfe ausfechten müssen.

Am Donnerstag vor Ostern, dem 20. April 1519, legte die Flotte an der schon von Grijalva besuchten Insel San Juan de Ulloa an. Cortés beschloß, auf dem benachbarten Festland eine Siedlung als Operationsbasis für das Vordringen ins Landesinnere zu gründen. Der Grundstein für die Eroberung eines fremden Imperiums war damit gelegt.