© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Knapp daneben
Beeindruckende Trefferquote
Karl Heinzen

Dem Zoll ist ein empfindlicher Schlag gegen die kriminelle Logistikszene gelungen. Während einer Razzia bei 147 Firmen, die als Subunternehmer von einschlägig bekannten Organisationen wie Amazon, DHL und Hermes Pakete ausfahren, wurden im Großraum Köln 547 Personen kontrolliert. 220 von ihnen erhielten als angestellte Fahrer ein Entgelt, das unterhalb des Mindestlohnes liegt. Ihre Arbeitgeber hatten sich des Tricks bedient, die Beladezeit nicht als Arbeitszeit anzuerkennen. 30 weitere Personen arbeiteten schwarz, 35 bezogen Hartz IV, ohne die Tätigkeit dem Jobcenter gemeldet zu haben. Ein Fahrer besaß nicht einmal einen Führerschein. Auch ein Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis wurde erwischt. Diese Trefferquote ist beeindruckend. Darüber dürfen aber die Opfer der Razzia nicht vergessen werden. 547 Fahrer, die ihrer Aufgabe auch nur für einen Tag nicht nachgehen können, hinterlassen eine Tränenspur von traurigen Menschen, die Lieferungen, auf die sie sehnsüchtig warten, nicht rechtzeitig erhalten. 

Unser Land hat einen Niedriglohnsektor, damit niemand auf dumme Gedanken kommt.

Wer kann sie zählen? Wie viele Beziehungen und Freundschaften mögen wohl zerbrochen sein, weil das Geburtstagsgeschenk ausblieb? Auch Kinder sind heute daran gewöhnt, daß ihre Wünsche in Echtzeit erfüllt werden. Manche von ihnen dürften an diesem Tag das erste Mal gespürt haben, daß unsere Gesellschaft viel verspricht und wenig hält. Die ganzen Verstöße gegen alle möglichen Bestimmungen, die der Zoll registrierte, wiegen zudem nichts gegen die beiden Grundsatzentscheidungen, die unser Land getroffen hat. Wir wollen einen Niedriglohnsektor, damit alle sich dazugehörig fühlen und niemand auf dumme Gedanken kommt. Und wir begünstigen Online-Warenhäuser wie Amazon, weil es klimafreundlicher ist, wenn ein paar Lieferwagen die Waren zu allen Bürgern ausfahren, als wenn alle Bürger sich auf den Weg machen, um verstreute Einzelhändler aufzusuchen. Natürlich wäre es noch umweltbewußter, Einkäufe ganz zu unterbinden. Soweit sind wir aber noch nicht. Solange Greta Thunberg sich hierzu nicht positioniert hat, gibt es keinen Handlungsbedarf.