© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/19 / 22. Februar 2019

Sozialisten sind mit ihrem Latein am Ende
Spanien: Unbotmäßige Katalanen lassen die Linksregierung Sánchez bei der Haushaltsfrage im Regen stehen / Neuwahl Ende April
Alexander Hoyer

Es war ein Ende mit Ansage. Nachdem die katalanischen Unabhängigkeitsparteien, die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) sowie die liberale Katalanische Europäische Demokratische Partei (PDeCAT) ihre Unterstützung für den Etat zurückgezogen hatten, stand Premier Pedro Sánchez mit dem Rücken zur Wand. Vergangene Woche kam die erwartbare Niederlage im Parlament. Schon zwei Tage später ging Sánchez in die Offensive. Am 28. April wählt das Königreich auf der Iberischen Halbinsel eine neue Volksvertretung. Die Umfragen verheißen für Sánchez’ Sozialisten, die bis dato mit der linksradikalen Podemos-Bewegung kooperierten, nichts Gutes. Zwar kann sich die PSOE, die die konservative Partido Popular (PP) im Juni 2018 per Mißtrauensvotum stürzte, berechtigte Chancen darauf ausrechnen, zur stärksten Kraft im neuen Parlament zu werden. Allerdings zeichnet sich in allen Meinungsumfragen eine klare Mehrheit für eine Koalition aus PP, nationalliberaler Ciudadanos und der rechten Vox-Partei ab. Alle drei Parteien überboten sich zuletzt mit antikatalanischen Parolen. Die Partido Popular etwa versprach, die noch unter Rajoy aufgehobene Zwangsverwaltung der von Spanien abtrünnigen Region wieder einzuführen. 

Vox geht noch einen Schritt weiter. Die Partei fordert ein Verbot der katalanischen Unabhängigkeitsparteien, die in Barcelona die Mehrheit stellen. Zudem will sie Sonderrechte wie die katalanische oder baskische Sprache an Schulen abschaffen. Am Prozeß gegen die katalanischen Politiker und Unabhängigkeitsaktivisten, der am 12. Februar in Madrid begann, nimmt die Partei, die in Andalusien die rechtsliberale Regierung stützt, als Nebenklägerin teil. Damit habe die spanische Justiz „eine weit rechts stehende Kampagne unterstützt“, so der Vorwurf eines der Angeklagten, Oriol Junqueras (ERC), der unter dem früheren Präsidenten Carles Puigdemont Vizeregierungschef war.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Rebellion im Zuge des Unabhängigkeitsrefendums am 1. Oktober 2017 vor. Dies, obwohl selbst die Staatsanwaltschaft den Katalanen nicht unterstellt, zur Gewalt aufgerufen zu haben – ein zwingendes Merkmal des Tatbestandes im spanischen Recht. Der Professor für Verfassungsrecht an der Universität Sevilla, Joaquín Urías, drückt dies differenziert aus: „Ich habe in Katalonien keine gewaltsame Erhebung gesehen. Es gab meines Erachtens weder Aufruhr noch Rebellion, bei der es neben einer tumultartigen Erhebung auch noch der Gewalt bedarf“, sagte Urías der Jungen Welt.

Weder die  Unabhängigkeitskämpfer in den Gefängnissen noch die Bevölkerung ließen sich in ihrem Drang nach Unabhängigkeit von Spanien bisher von der restriktiven Politik Madrids einschüchtern. „Wir werden es weiter versuchen, egal wie der Ausgang dieses Prozesses ist“, versprach Junqueras vor Gericht. Ihm und seinen Mitangeklagten drohen lange Haftstrafen. Sollte er wegen Rebellion verurteilt werden, könnte er bis zu 25 Jahre im Gefängnis verbringen müssen. Aber auch die katalanische Straße gibt nicht klein bei. Nach unterschiedlichen Angaben demonstrierten am Samstag in Barcelona zwischen 200.000 und 500.000 Menschen für die Freiheit der Angeklagten. Ihr Motto: „Selbstbestimmung ist kein Verbrechen.“

Parallel dazu verkündete PDeCAT-Präsident David Bonvehí, daß seine Partei unter dem Motto „Zusammen für Katalonien“ bei den Wahlen in Spanien und Europa antreten werde.