© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/19 / 22. Februar 2019

Dem Zeitgeist verpflichtet
Erneuerbare Energie: Ørsted – wie ein Unternehmen von den Klimaschutzvorgaben profitiert
Christoph Arndt

Einer der größten Gewinner am dänischen Aktienmarkt 2018 ist der Energiekonzern Ørsted, welcher seinen Börsenwert um fast 30 Prozent erhöhen konnte und Anfang Februar 2019 ein Allzeithoch von 480 Kronen markierte. Der Jahresgewinn (EBITDA) stieg im selben Zeitraum um 33 Prozent. Ørsted aus dem kleinen Dänemark konnte dabei sowohl E.ON als auch RWE bei der Marktkapitalisierung überholen. Eine solch rasante Entwicklung ist bei Energieversorgern eher unüblich, gelten sie doch bei Börsianern als Witwen- und Waisenpapiere mit stabilen Dividenden und geringen Kursausschlägen.

Aus DONG wird das grüne Ørsted 

Ørsteds Entwicklung ist hierbei ein Beispiel, wie Unternehmen durch gute Vernetzung mit der Politik von den klimapolitischen Vorgaben und dem grünen Zeitgeist profitieren. Ørsted hieß bis 2017 DONG und ist derzeit einer der führenden Energiekonzerne Skandinaviens. DONG wurde 1973 als Dansk Olie og Naturgas A/S vom dänischen Staat zur energiepolitischen Entwicklung und Gasförderung gegründet. 2006 wurde DONG durch einen Zusammenschluß mit fünf weiteren regionalen Energiegesellschaften zu Dänemarks größtem Energiekonzern mit dem höchsten Marktanteil bei der Stromproduktion.

Bereits 2004 war die Börsennotierung in einer parteiübergreifenden Übereinkunft geplant, sie wurde aber 2008 durch die Finanzkrise verschoben und erst 2013 erneut politisch angegangen, um DONG mit Kapital für eine strategische Ausrichtung auf Meereswindparks zu versorgen. Die amtierende Mitte-links-Regierung der Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt (2011–2015) beschloß zum Jahresende 2013, 18 Prozent der DONG-Anteile an die amerikanische Bank Goldman Sachs zu verkaufen, was eine Regierungskrise auslöste und zum Ausscheiden der Sozialistischen Volkspartei (SF) aus der Regierung Anfang 2014 führte. 

Die Abgeordneten der SF hatten zuvor für den Verkauf gestimmt, wurden aber durch ihre Basis und den linken Flügel unter Druck gesetzt, was in einer Parteikrise und dem Austritt aus der Regierung mündete. Am 9. Juni 2016 fand dann die endgültige Notierung von DONG an der Kopenhagener Börse statt – bis dato die größte Börsennotierung in dem skandinavischen Land. Dies führte zu einem Rechtsstreit vor dem Rechnungshof (Rigsrevision), da Kritiker moniert hatten, daß Goldman Sachs die Anteile unter dem Marktpreis und Buchwert erworben hatte und somit Arbitragegewinne durch den Erwerb der DONG-Anteile 2014 erzielte. 

Die Klage wurde letztendlich fallengelassen, der damalige Finanzminister Bjarne Corydon wurde aber für seine intransparente Informationpolitik während der Teilprivatisierung gerügt.

Während der Posse um die Börsennotierung hatte sich DONG von einem ursprünglichen Gasversorger zu einem integrierten Energiekonzern gewandelt, der alle Aktivitäten in der Wertschöpfungskette von der Rohstoffgewinnung und Stromerzeugung bis zum Verkauf an den Endkunden unter sein Dach brachte. Gleichzeitig wurde der Fokus auf Herstellung und Vertrieb von grüner Energie durch Windkraft und Biomasse vorangetrieben. Das Unternehmen benannte sich Ende 2017 in Anlehnung an den dänischen Physiker Hans Christian Ørsted in Ørsted um. 

Staat bleibt weiterhin Mehrheitseigentümer 

Anläßlich der Umbenennung gab das Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht aus, in dem das ambitionierte Ziel einer CO2-freien Strom- und Wärmeproduktion für 2023 ausgegeben wird. Ørsted hatte zuvor bereits die Öl- und Gasproduktion verkauft und mit Hilfe der Politik massiv auf den Bau von Offshore-Windkraftparks gesetzt.

Seit dem Börsengang tritt der dänische Staat bei Ørsted nach wie vor als Mehrheitseigentümer auf, der gleichzeitig die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Wirtschafts- und Energiepolitik setzt. Somit profitiert das Unternehmen von der in Dänemark und vielen anderen Ländern politisch gewollten Energiewende und hat einen Doppelcharakter. 

Es ist einerseits ein staatliches Werkzeug zur Realisierung energiepolitischer Ziele in Dänemark und andererseits ein erfolgreiches börsennotiertes Exportunternehmen, welches Meereswindparks in anderen europäischen Ländern errichtet. Der Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung Dänemarks beträgt bereits über 40 Prozent und soll noch weiter erhöht werden, was die Nachfrage an Ørsteds Windparks zwangsläufig erhöht.

Auch in Deutschland versorgt Ørsted allein mit den Windparks Borkum Riffgrund 1 und 2 sowie Gode Wind 1 und 2 cirka 1,4 Millionen Haushalte und profitiert von dem unter Kanzlerin Merkel eingeleiteten Ausstieg aus der Kernkraft- und Kohleverstromung. 

Der Unternehmenserfolg ist somit eng an politische Entscheidungen und Entscheidungsträger gebunden. So äußerte sich Ørsteds Vorstandsvorsitzender Henrik Poulsen sehr zufrieden über das 2018 im Folketing beschlossene Energieprogramm, da es den Bau von drei Windparks vorsieht und somit Dänemarks Position im Windanlagenbau stärke. 

Die Windräder für Ørsteds Windparks werden hierbei häufig vom dänischen Produzenten Vestas geliefert, welcher Anfang 2019 die ehemalige Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt als neues Vorstandsmitglied präsentierte, ein weiteres Indiz für die enge Verzahnung von Energiepolitik und der Windkraftbranche.

Daß diese auch Risiken mit sich bringt, zeigte der starke Kursverlust Ørsteds am Morgen des 14. Januar 2019. Dieser wurde ausgelöst durch den gescheiterten Verkauf des Energienetzes, welches unter dem Namen Radius privaten Investoren angeboten wurde. Dies verhinderte ein Veto der Sozialdemokraten und der SF. 

Die Märkte hatten bereits mit der Abspaltung von Radius gerechnet und über eine mögliche Sonderdividende Ørsteds in diesem Zusammenhang spekuliert. Der Investmentökonom Per Hansen (Nordnet Bank) konstatierte daraufhin: „Wenn Politiker Ökonomen spielen und mit ihren Aktienanteilen zocken, dann beeinflußt dies die Risikoprämie. Das bedeutet, daß das Unternehmen nicht nur die normalen Möglichkeiten und Grenzen hat, sondern aus einem politischen Aspekt agieren muß.

Der Wirtschaftsprofessor Erik Reimer Larsen von der Universität Aarhus hat hierbei die langfristigen Gefahren der Marktmacht und der politischen Verquickung Ørsteds und vergleichbarer Energieversorger in dem in der Fachzeitschrift Energy Policy erschienenen Forschungsartikel „Can electricity companies be too big to fail“ kritisch betrachtet. 

Die Jugend für den  Klimawandel sensibilisieren 

Während Ørsted durch seine Unternehmenspolitik und den politisch geförderten Umstieg auf grüne Energie ein klarer Gewinner der Energiewende ist, kann die starke Marktposition die Versuchung für politische Eingriffe erhöhen. Reimer Larsen warnt davor, daß der Energiesektor seine eigene Finanzkrise riskiert, weil Unternehmen wie Ørsted inzwischen „too big too fail“ geworden sind. Große Energieproduzenten haben langfristig oft nicht genug Erträge, um die gigantischen Investitionen, die im Zuge der Energiewende etwa bei Meereswindparks anfallen, zu amortisieren.

 Ørsted und andere große Energiegesellschaften könnten in einer entstehenden Krise die politische Unterstützung für ihr Geschäftsmodell einkalkulieren, da sie wie weiland die Investmentbanken um ihre Systemrelevanz wissen. Somit hat es laut Larsen faktisch keine Konsequenzen, daß man ein unrentables Unternehmen betreibt, und es kann tendenziell dazu führen, daß man immer mehr Risiken eingeht und damit die Situation noch verschlimmert.

Entsprechend will Ørsted zu einem der führenden grünen Energieunternehmen werden. Im Jahr 2018 seien rund 6,3 Millionen Tonnen CO2-Emissionen durch den Betrieb der Offshore-Windparks vermieden worden, heißt es aus der Zentrale. Bereits heute versorgen Ørsteds Offshore-Windparks mehr als 12 Millionen Menschen mit grüner Energie. Im Jahr 2025 soll diese Zahl bei 30 Millionen liegen, erstmals auch mit Windparks in den USA.

Nicht zu vergessen: Gemeinsam mit dem World Wide Fund for Nature (WWF) unternimmt Ørsted seit vergangenem Jahr Schritte, Kindern und Jugendlichen das Thema Klimawandel näherzubringen und das Bewußtsein für den Klimaschutz zu stärken. Dies sei auch ein wichtiges Unternehmensanliegen für 2019.





Windstromerzeuger kritisieren Berlin

Der Bundesverband Windenergie (BWE) läßt die Alarmglocken schrillen.  Nach den von der DeutschenWindGuard ermittelten Zahlen sei der Brutto-Zubau von Windenergieanlagen an Land im Jahr 2018 „regelrecht eingebrochen“.  Mit „lediglich“ 2.402 Megawatt (MW) beziehungsweise  743 Anlagen falle der Neubau noch hinter das Niveau von 2013 zurück, „obwohl die Nachfrage nach erneuerbarem Strom perspektivisch deutlich zunehmen“ werde. Der Zubau entspreche einem Rückgang von 55 Prozent im Vergleich zum Gesamtjahr 2017. Er liegt, so die BWE-Zentrale, damit deutlich unter der von BWE und dem Fachverband der Hersteller und Zulieferer von Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen VDMA Power Systems zur Jahresmitte 2018 geschätzten Zahl von 3.300 MW.  „Heute ist es wichtiger denn je, schnell den Ausbau der Erneuerbaren Energien hin zum 2030-Ziel zu definieren und die Pfade anzupassen. Das Stop-and-Go bei den Genehmigungen  muß beendet werden“, kommentiert VDMA-Geschäftsführer Matthias Zelinger die Zahlen und ergänzt: „Es ist selbsterklärend, daß das 65-Prozent-Ziel der Bundesregierung mit einem Fortführen des aktuell absehbaren jährlichen Zubaus bis zum Jahr 2030 nicht erreicht werden kann.“ Die Straffung der Genehmigungsverfahren und Beseitigung administrativer Hemmnisse sei „unerläßlich“.