© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/19 / 22. Februar 2019

Dorn im Auge
Christian Dorn

Am Montag morgen in der Zeitung ein Artikel über das Mordopfer „Peggy“ – natürlich nicht über Dresden, wo das „Pack“ schon lange unter dem Mädchennamen läuft. Da die Tage wieder länger werden, muß endlich der Vers vom vergangenen Winter raus, der auf der Autobahnfahrt nach Sachsen unter Rammstein-Beschallung als „Realityrest“ entstand: „Dresden Dresden / Wilder Mann / Du schaltest / Dunkeldeutschland an.“ Ergänzt um die jüngsten Zeilen: „Peggy spielt auf zum Tanze / Heute geht es – ums Volksganze. / Komm, meine Nichte / Setz ab den Rucksack der Geschichte.“ Gehörten diese Zeilen einem Gegewartsdrama auf deutschen Bühnen, wären sie bereits salviert.


Erleuchtung verspricht auch die Esoterikmesse im Logenhaus, wo von den Geistern des einstigen „Zwischentages“ nichts mehr zu spüren ist. Die „Speisekarte“ bietet hier vor allem „Medium“ – nirgends blutig, wenngleich der Stand mit der „medialen Energie“ von „Maria Magdalena“ farblich eher einem OP-Eingriff gleicht. Eine „Mich-Beraterin“ bittet derweil zum Seminar für „entwaffnende Ehrlichkeit“ unter dem Titel „Ich bin, all-so spreche ich“. Vollmundig verheißt sie: „Ich bin hier, um das rausfließen zu lassen, was jetzt hier im Raum präsent ist.“ Vorsichtshalber verlasse ich die Versammlung. Doch das Versprechen unverstellter Präsenz läßt sich eine Besucherin nicht zweimal sagen, die sich an einem Channeling-Stand gestikulierend zu erklären sucht: „Da sieht man die Bäume vor lauter Wald nicht.“

 

Backe, backe Kuchen – die Hygiene hatte keiner gerufen. Am Schaufenster des Bäckers gegenüber prangt neuerdings das Motto: „Backen ist auf Teig geformte Liebe.“ Diese Handarbeit hat ihren Preis. Als sich jüngst der notorische Mitarbeiter vom Gesundheitsamt aufplusterte, so wird erzählt, habe der Bäckermeister diesen am Schlafittchen gepackt, in die Luft gehoben und an die Wand gedrückt zappeln lassen. Auch ohne Backpfeifen soll die Strafzahlung angeblich 1.000 Euro betragen. Wir müssen dagegen viel kleinere Brötchen backen. So mutiert der Heimweg – nach intensiver Lektüre der Finanzseiten im Handelsblatt – vor dem Falafel-Laden, dessen Mitarbeiter alle zum Islam übergetreten sind, weniger zur Hadsch als zu einer unverhofften Performance in Form drei leerer Bierflaschen am Wegesrand. Nicht an der Börse notiert, garantieren sie dennoch zum Tagesende eine faktische Ausschüttung von 24-Euro-Cent, exakt so hoch wie mancher Kursgewinn. Doch wie sagt der zurückgekehrte IS-Krieger? „Ich hab noch einen Kuffar in Berlin.“