© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/19 / 22. Februar 2019

Das Wirtshaus gehört zu Bayern
München: Im Hofbräuhaus wurde der Stammtischbruder 2019 gekürt
Thorsten Brückner

Wer an Bayern denkt, denkt an weiß-blauen Himmel, Bier und eine deftige Brotzeit. Und um das alles in guter Gesellschaft genießen zu können, braucht es Wirtshäuser und Biergärten. Im Freistaat sind sie bis heute eine Institution. Doch auch zwischen Hof und Garmisch-Partenkirchen ist das Wirtshaussterben eine traurige Realität. Dem stemmt sich mit aller Kraft der „Verein zum Erhalt der Bayerischen Wirtshauskultur“ entgegen. Seit 2011 verleiht er deswegen jährlich den Preis des Bayerischen Stammtischbruders.

Im Münchner Hofbräuhaus konnte der Verein, dem der AfD-Landtagsabgeordnete Franz Bergmüller vorsteht, am Montag dieser Woche erneut hochkarätige Laudatoren begrüßen. Kein Geringerer als der Wirtschaftsminister des Freistaats, Hubert Aiwanger, gab sich die Ehre. Dabei erwies sich der Minister nicht nur wie gewohnt als Schnellredner ohne Punkt und Komma, sondern auch als Schnellesser. Seine Weißwürste mußte der niederbayerische Landwirt in Rekordzeit verdrücken, ehe er von BR-Moderator Jürgen Kirner, der durch die Veranstaltung führte, auf die Bühne gebeten wurde. Bei seiner Rückkehr vom Podium wäre es womöglich mit der eisernen bayerischen Regel, daß die Weißwürste das Mittagsläuten nicht hören dürfen, etwas knapp geworden.

Unter dem Landeswappen mit den Symbolen der vier bayerischen Stämme hielt Aiwanger im historischen Festsaal des Traditionshauses am Platzl ein Loblied auf die Wirte, die „das Gesicht Bayerns“ prägten. „Sie sind systemrelevant für diesen Freistaat“, donnerte er in seiner stärker als sonst dialektgefärbten Rede unter dem Jubel des vollbesetzten Saals. 

Sichtlich in Rage teilte Aiwanger auch einen Seitenhieb gegen all jene aus, die sich gegen das im Koalitionsvertrag beschlossene Förderprogramm für die bayerischen Wirtshäuser in Höhe von 30 Millionen Euro stellen. „Wir haben mit viel Staatsgeld schon ganz andere Betriebe gerettet.“

Sein Appell: „Laßt uns doch wieder zusammenrücken und die Wirtshäuser in Bayern ausbauen und erhalten.“ Dafür kündigte er neben finanzieller Förderung auch weitere konkrete Maßnahmen an. So wolle er sich dafür einsetzen, „überzogene Brandschutzauflagen, die viel Kosten verursachen“ für die Wirte verträglicher zu gestalten. „Da werde ich nochmal mit dem Innenministerium drüber reden.“ Auch übertriebene Hygieneauflagen seien ein Problem. „Manche tun so, als sei eine Wurst nur dann genießbar, wenn sie im Chlorbad abgekocht wurde.“

Gäste sollen nicht auf jeden Cent schauen

Aber auch die Gäste seien gefordert, nicht gleich zu maulen, wenn für gute Qualität auch mal der ein oder andere Euro mehr verlangt werde. Denn: „Wenn man im Urlaub ins Ausland fährt, spielt Geld ja auch keine Rolle.“ In manchen ländlichen Wirtschaften zahle man für Essen und Trinken gerade mal zehn Euro. „Da mußt du dich schon wundern, was da noch übrigbleibt!“

Nach so einem rhetorischen Feuerwerk geriet die eigentliche Preisverleihung fast schon zur Randnotiz. Ausgezeichnet wurde in diesem Jahr der Brauereigasthof Graminger aus Altötting, nachdem im Vorjahr das Landbierparadies Nürnberg die begehrte Ehrung erhalten hatte. Ausschlaggebend waren für die Jury die vielen Stammtische, die sich dort regelmäßig treffen und die zahlreichen Brauchtumsveranstaltungen in dem Familienbetrieb.

Während der Bayer im Winter seine Zeit am liebsten im Wirtshaus verbringt, ist der Sommer Biergartenzeit. Deswegen verleiht der Verein zeitgleich zum „Bayerischen Stammtischbruder“ auch den Titel „Mein Lieblingsbiergarten“. Bei dieser Publikumswahl können auch Biergärten außerhalb des Freistaats geehrt werden, auch wenn man sich als Bayer natürlich nicht vorstellen kann, daß dort auch nur ansatzweise dieselbe Gemütlichkeit vorherrschen könnte wie zwischen Spessart und Karwendel. Die Auszeichnung wird in drei Kategorien vergeben: Biergärten bis zu 200 Plätze, bis zu 500 Plätze und mehr als 500 Plätze. Die Laudatio hielt Thomas Goppel, Vorsitzender der Senioren-Union der CSU. Der ehemalige Staatsminister und Sohn des bisher am längsten amtierenden bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel, brachte seine Würdigung in Gedichtform dar. Aber er war auch noch aus einem anderen Grund da, wie er scherzhaft anmerkte: „Ich wollte mal hören wie der Aiwanger den Spagat hinkriegt, erst gegen die CSU zu sein und jetzt mit der CSU zu regieren.“

Harmonie über Parteigrenzen hinweg

Es sollte der einzige Ausflug an diesem Mittag in die Parteipolitik bleiben. Bayern, Bier und Wirtshaus, das zeigte die Veranstaltung, bringt die Menschen zusammen, auch über Parteigrenzen hinweg. Das ehemalige Freie-Wähler-Mitglied Bergmüller und Aiwanger saßen am Tisch nebeneinander, sprachen sich auf der Bühne mit „lieber Hubert“ und „lieber Franz“ an. Auch der CSU-Landtagsabgeordnete Benjamin Miskowitsch war unter den Gästen. „Mein Kollege im Wirtschaftsausschuß“, wie Bergmüller sichtlich stolz betonte. Diese zutiefst bayerische Harmonie, wo bei Bier, Brezeln und Haxn politische Differenzen schon mal in den Hintergrund treten, ist keine Selbstverständlichkeit. 2016 sagte der als Laudator eingeplante ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel ab und begründete das mit Bergmüllers AfD-Mitgliedschaft.

In den ersten Jahren fiel Bergmüllers Verein vor allem durch seinen Kampf gegen das Rauchverbot in Wirtshäusern auf, das 2010 durch Volkentscheid Gesetz wurde. Dieses Thema, das zeigten auch die Aussagen der Preisträgerin Sabine Detter von Graminger Bräu, hat sich mittlerweile erledigt. Sie stellte klar, daß ihr Betrieb nicht unter dem Rauchverbot leide. Im Gegenteil: „Mehr Leute kommen zum Essen.“