© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

Orbáns Medienkampagne gegen Soros und Juncker
Ein Stück Normalität
Boris Kálnoky

Es herrscht Empörung über eine Plakatkampagne der ungarischen Regierung im EU-Wahlkampf. Zu sehen sind US-Milliardär George Soros und der scheidende EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Text: „Brüssel“ plane „Flüchtlingsquoten“ und „Migrantenvisa“. Nun sind Soros und Juncker nicht „Brüssel“ und Flüchtlingsquoten nicht mehr aktuell. Zudem gehören Juncker und Orbáns Fidesz beide zur EVP-Fraktion. Wahlkampf gegen das eigene Lager – das geht nicht, heißt es dort. Orbán verletze ihre „Werte“, Fidesz gehöre ausgeschlossen.

Reality-Check: Wahlkampf läuft oft auf Charaktermord hinaus. Einzig die EU-Spitzen blieben davon bislang verschont, Juncker selbst aber teilte derb gegen Orbán aus. Daß nun er selbst zur Zielscheibe wird, bedeutet ein Stück Normalität – EU-Politiker stehen nicht mehr über der Politik. Fidesz wird mit dieser Kampagne gewinnen, was die EVP stärken würde. Ob die EVP Orbán rauswirft, hängt nicht von Werten ab, sondern von Interessen: Kann ihr Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) ohne sie Kommissionschef werden? Will sie Wähler rechts oder links gewinnen? Wenn die schrumpfende EVP sich für die erstarkenden Rechten öffnen will, braucht sie Orbán. Wenn nicht, dann nicht.






Boris Kálnoky berichtet als Ungarn-Korrespondent mit Sitz in Budapest für die die Welt und andere deutschsprachige Zeitungen.