© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

Ländersache: Schleswig-Holstein
Munitionsbergung als nationale Aufgabe
Paul Leonhard

Groß war der Schreck, als die Besatzung eines Tankschiffs beim Lichten des Ankers entdeckte, was man da mit an die Oberfläche gezogen hatte: einen Torpedo. Daß Seeleute mit den Hinterlassenschaften zweier Weltkriege konfrontiert werden, ist keineswegs selten und die Munitionsbelastung der Küstengewässer in Schleswig-Holstein ein Dauerthema. Das Land betreibt das Internetporal „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer“, in der alle Funde genau registriert werden, aber auch über Forschungsprojekte, etwa zum Austritt von Quecksilber, berichtet wird.

In deutschen Gewässern sollen etwa 1,3 (in der Nord-) und 0,3 Millionen Tonnen konventioneller Munition (in der Ostsee) liegen. Während Seefahrtskarten auf Gebiete hinweisen, in denen chemische Kampfstoffe versenkt wurden, gibt es kaum Angaben über Minen, Bomben und Torpedos, zumal diese Waffen mit der Strömung wandern. 

Meldungen warnen Seeleute, wenn Kampfmittel geortet wurden. Eine Räumung aller kontaminierten Gebiete gilt aufgrund ihrer Größe als unmöglich.Gleichzeitig sind die Hüllen um den Sprengstoff inzwischen soweit weggerostet, daß demnächst giftige Substanzen ins Wasser dringen, von Meeresbewohnern aufgenommen und letztlich auf den Tellern der Verbraucher landen könnten, wie der Toxikologe Edmund Maser mahnt. „Wir haben nur noch 20 Jahre Zeit, diese tickenden, rostenden Zeitbomben aus dem Meer zu holen und zu entschärfen“, greift Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote die Expertenmeinung auf. Munitionsrückstände würden ganze Wirtschaftszweige gefährden, sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Bisher galt in Schleswig-Holstein eine Einschätzung von 2011, die seitdem als „lebendes Dokument“ fortgeschrieben wird. 2018 wurde die Bestandsaufnahme vom Bund/Länder-Ausschuß Nord- und Ostsee (Blano) für „weiterhin gültig“ erklärt. Es sei nicht erkennbar, daß „eine großräumige Gefährdung der marinen Umwelt über den lokalen Bereich der munitionsbelasteten Flächen hinaus vorhanden oder zukünftig zu erwarten ist“. 

Gefahr bestehe „punktuell für Personengruppen, die im marinen Bereich der Nord- und Ostsee mit Grundberührung tätig sind“. Gemeint sind damit beispielsweise Fischer, die als „Beifang“  Munition, Wasserbomben, Minen oder – wie im Greifswalder Bodden – das Heckteil einer lenkbaren Gleitbombe Henschel HS 293 in ihren Netzen vorfinden. Für Aufsehen sorgte auch das Auftreiben einer Ankertaumine nahe eines Windparks. Der Blano-Expertenkreis „Munition im Meer“ listet für 2017 insgesamt 171 Fundmeldungen mit mindestens 2.688 Objekten auf. 

„Minen und Bomben können Leitungen auf dem Meeresgrund zerstören, Windparks beschädigen, Seeschiffahrt behindern und Tourismus mancherorts unmöglich machen“, sagte Grote jetzt dem RND. Schon jetzt bestehe die Gefahr, daß wegen angeschwemmter Seeminen oder austretenden Phosphors Strandabschnitte gesperrt werden müßten. Grote sieht eine Gefahr für die innere Sicherheit und will das Thema auf der Innenministerkonferenz im Juni mit seinen Amtskollegen besprechen. Die Munitionsbergung sei eine nationale Aufgabe.