© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

Die Rechnung der Lega geht auf
Italien: Die Rechte siegt auch auf Sardinien / Fünf-Sterne-Bewegung am Boden
Marco F. Gallina

Es ist ein bitterer Tag für Francesco Desogus, den Spitzenkandidaten der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) im sardischen Regionalwahlkampf. „Wir wußten, daß das ein Spiel war, das wir von Anfang an verloren hatten“, so Desogus. Am Montag nach der Wahl hatte der Parteikollege von Vizepremier Luigi Di Maio nicht einmal die Bekanntgabe der Ergebnisse abgewartet, die aufgrund des Wahlgesetzes traditionell lange auf sich warten läßt. Stattdessen war er zur Arbeit in die Bibliothek zurückgekehrt.

Salvini läßt keine Konfrontation aus    

Rund zehn Prozent – mehr war für den M5S bei der Regionalwahl auf der Mittelmeerinsel nicht drin. Parteichef Di Maio bemüht sich um Schadensbegrenzung. Die Fünf Sterne seien „lebendig“: „Wir sind ins Regionalparlament gekommen, wo wir vorher nicht waren. Das ist das Wichtigste.“ 

Allerdings hatte die Partei bei der Parlamentswahl am 4. März 2018 über 40 Prozent der sardischen Stimmen eingefahren. Das heißt: Die Bewegung hat nach einem Jahr nur noch ein Viertel der damaligen Zustimmung. Bereits vor zwei Wochen hatte der M5S ähnliches in der Region Abruzzen erlebt.

Trotz dieser Niederlagen schloß Di Maio Konsequenzen für die römische Koalition aus. Stattdessen kündigte er Veränderungen innerhalb der eigenen Partei an. Die Bewegung müsse mehr zu einer organisierten Partei reifen. Innerparteiliche Kritiker wie die Senatorin Paola Nugnes wollen sich nicht damit begnügen. „Es ist klar, daß der Führungsanspruch von Luigi nun zur Diskussion gestellt werden muß“, machte die radikale Parteilinke deutlich. Der linke Flügel des M5S, der schon in der Vergangenheit für innere Querelen gesorgt hatte, stellt seit Monaten die Koalition mit der Lega von Innenminister Matteo Salvini in Frage. Der Vorwurf: In der populistischen Regierung aus M5S und Lega verrieten die Grillini ihre Ideale und verkauften ihre Prinzipien zugunsten Salvinis.

Letzterer ging aus der Sardinienwahl gestärkt hervor. Zwar konnte die Lega nicht ihren Erdrutschsieg wie in den Abruzzen wiederholen, wo die Partei am 10. Februar zum ersten Mal bei einer Regionalwahl angetreten war und aus dem Stand 24 Prozent erreichte (eine Verdopplung seit der Parlamentswahl in dieser Region). Mit 12 Prozent erreichte Salvini jedoch ein solides Ergebnis für die Premiere der Lega auf Sardinien. Noch wichtiger: Salvini hatte sich mit der regionalistischen Schwester der Lega auf der Insel – der Sardischen Aktion – zusammengetan und deren Spitzenkandidaten Christian Solinas für seine Seite gewonnen. Bereits bei der Parlamentswahl war Solinas für die Lega in der Lombardei angetreten und hatte ein Mandat errungen; nun revanchierte sich der Sarde bei Salvini. 

Solinas steht einem Mitte-Rechts-Bündnis vor, das neben den beiden regionalistischen Parteien auch Berlusconis Forza Italia und die Nationalkonservativen der Fratelli d’Italia umfaßt. Diese Konstellation sorgt in der römischen Regierungskoalition für zusätzlichen Ärger. Denn Salvini hat seine alte Bindung zum bürgerlichen Lager nie aufgelöst und tritt wie in den Abruzzen gegen den nationalen Koalitionspartner an. 

Die Rechnung ging auf: Sowohl das Mitte-Rechts-Bündnis als auch der Kandidat Solinas – in Sardinien werden sowohl Parlament als auch Ministerpräsident unabhängig voneinander gewählt – lagen bei den Wahlen deutlich vor der linken Liste des Bürgermeisters von Cagliari, Massimo Zedda. Damit verpuffte auch die Strategie des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), mit Zedda einen neuen Hoffnungsträger aufzubauen, der von manchem Parteimitglied bereits als „Renzi 2.0“ gehandelt wurde. Mit 47 Prozent zu 33 Prozent gewann Solinas am Schluß gegen Zedda. Die schwächelnden Sozialdemokraten verlieren damit eine weitere Region. Schadenfroh verkündet Salvini auf Facebook: „Die Lega gewinnt 6:0 gegen den PD.“ Gemeint waren damit neben Sardinien und Abruzzen auch die Regionalwahlen im Friaul, Molise, Trentino und Südtirol, die seit der Parlamentswahl den Höhenflug der Lega eingeläutet hatten.

Ganz offensichtlich haben die Italiener keine Lust auf die „Altparteien“; denn auch Berlusconis einst stolze Forza Italia blieb im Ergebnis einstellig. Stattdessen wechseln die enttäuschten Wähler des M5S scharenweise zur Lega. Daß dies nicht so sehr auf der Prinzipienlosigkeit der Grillini beruht, sondern deren unbefriedigenden Regierungsarbeit geschuldet sein könnte, scheint sich bei Di Maios Kollegen noch nicht herumgesprochen zu haben. 

Ganz anders bei Salvini, der als Innenminister mit rigider Einwanderungspolitik und einem Sicherheitsdekret bei den Italienern gepunktet hat. Auf Nationalebene liegt die Lega bei Umfragen seit Monaten stabil über 30 Prozent – und ist damit stärkste Kraft. Sollte der M5S tatsächlich beabsichtigen, sein Heil in Protest und Opposition zu suchen, serviert sie Salvini die Neuwahl auf dem Silbertablett. Dann blieben von den Fünf Sternen wohl nur noch Sternschnuppen übrig.