© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

Blick in die Medien
Der nächste Relotius
Tobas Dahlbrügge

So, nun hat auch die Süddeutsche Zeitung ihren Relotius: „Das Süddeutsche Zeitung Magazin hat eine für den Druck vorgesehene Geschichte eines freien Journalisten nicht veröffentlicht, weil Redaktion und Dokumentation des Magazins feststellen mußten, daß eine die Geschichte tragende Person nicht existiert.“

Der freie Journalist sollte eine Geschichte zum Thema Beziehungen schreiben, die er im Januar ablieferte. Doch kurz vor Veröffentlichung kamen der durch den Relotius-Skandal verunsicherten Redaktion Zweifel. Darauf angesprochen gab der Autor zu, „daß die Zweifel an der Geschichte berechtigt sind“. Er räumte ein, die Protagonistin seiner Story erfunden zu haben. Den Namen des Münchhausens halten die betroffenen Verlage bislang geheim.

Auch jetzt versucht die Branche, ein manipulatives System als Einzelfälle darzustellen. 

Der Schreiber veröffentlichte in mehreren Medien des SZ-Verlages, allein 2018 schrieb er über vierzig Beiträge. Der mit dem Henri-Nannen-Preis sowie dem Reporterpreis dekorierte „Qualitätsjournalist“ arbeitete ebenfalls für den Spiegel und Die Zeit. Auch dort werden seine Geschichten überprüft. In den Zeit-Artikeln fanden sich bereits „in einem Teil der Texte sachliche Fehler und Ungenauigkeiten der Schilderung“, sagte eine Verlagssprecherin.

Relotius hat man schleunigst öffentlich die Schulterstücke heruntergerissen, um bloß nicht selbst mit in den Gully gesogen zu werden. Es wurde alle Schuld auf ihm persönlich abgeladen, um jeden Eindruck zu vermeiden, es stehe ein manipulatives System dahinter. Das wird auch jetzt wieder versucht: „Unsere Verfahren zur Prüfung von journalistischen Texten haben funktioniert!“, jubelt die Süddeutsche. Doch das wird von Mal zu Mal unglaubwürdiger. Wenn der nächste auffliegt, ist es offensichtlich, daß es keine Einzelfälle schillernder Egozentriker sind, sondern Symptome einer Presse, die nicht Berichterstattung, sondern Erziehung für ihren Auftrag hält.