© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Aufgeschnappt
Zu militaristisch
Thorsten Brückner

Umkleide dich in Preußen-Deutschland mit einer Uniform, und du bist allmächtig“, machte sich die Berliner Volks-Zeitung 1906 über den legendären Rathaus-Raub des Hauptmanns von Köpenick lustig, der verkleidet mit einem Trupp Gardesoldaten das Rathaus der damals unabhängigen Gemeinde besetzte. Und genau 100 Jahre später schrieb der Schriftsteller Wilhelm Ruprecht Frieling über das Ereignis: „Mit seiner dreisten Tat machte der falsche Hauptmann den deutschen Untertanengeist in der ganzen Welt lächerlich.“ Kein Vorfall karikierte besser die Obrigkeitshörigkeit vieler Preußen während der Kaiserzeit. Diese Lehre aus der „Köpenickiade“ scheint allerdings noch nicht bis in die Köpfe des Berliner Senats durchgedrungen zu sein. Dort lehnte man nämlich die vom Köpenicker SPD-Bezirksabgeordneten Robert Schaddach vorangetriebene Bewerbung um die Aufnahme des Hauptmanns in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco ab. Begründung: zu militaristisch. „Da die Köpenickiade mit dem deutschen Kaiserreich und dem preußischen Militarismus verbunden“ sei, sei sie heute nicht mehr zur Identifikation geeignet, begründete der Senat laut Berliner Zeitung in einem Brief an die CDU seine Haltung.