© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Nicht rechts, sondern frei
Erfolg für AfD und Co.: Internet und soziale Medien bringen die Demokratie voran
Kurt Zach

Glaubt man den professionellen Alarmschlägern, dann steht eine rechtsextreme Machtergreifung über das Internet wohl unmittelbar bevor. Überall rechte Trolle, Rechtspopulisten und „Fake News“, die die Demokratie gefährden und arglose Nutzer auf die dunkle Seite zu ziehen drohen. Dagegen, will man uns glauben machen, hilft nur sofortiges und entschlossenes staatliches Durchgreifen mit neuen Gesetzen, Kontrollen und Reglementierungen.

Ist das Internet „rechts“? Sabotieren die neuen Medien die Demokratie und den Zusammenhalt, wenn man sie einfach so gewähren läßt? Da ist die Perspektive gleich mehrfach verrutscht. Denn natürlich nutzen Linke, Liberale, Grüne und Islamisten Internet, Twitter, Facebook und dergleichen genauso wie Konservative und Freiheitliche für Mobilisierungen und Kampagnen. Haß, Hetze und Verleumdungen gibt es ebenfalls aus allen Ecken, nur sind die Empfindlichkeiten der selbsternannten und bestellten Kontrolleure, Melder und Löscher höchst ungleich verteilt. Die einschlägigen Zensur- und Überwachungsgesetze, angefangen mit dem unseligen Netzwerkdurchsetzungsgesetz, richten sich zumindest in der praktischen Anwendung stets „gegen rechts“ bzw. „rechts“ verortete Themen wie Einwanderungs-, Islam- oder Establishment-Kritik.

Das ist natürlich kein Zufall. Denn auch wenn das Internet an sich nicht „rechts“ ist, profitieren doch politische Strömungen, Bewegungen und Projekte rechts des etablierten Mainstreams in besonderem Maße von den Möglichkeiten und Chancen der neuen Kommunikationsmittel. Diese haben nämlich die „Schweigespirale“, die konservative und rechte Positionen jahrzehntelang effektiv ins gesellschaftliche Abseits gedrängt haben, zumindest partiell außer Kraft gesetzt.

Eine Generation zurück, in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, war die „Torwächter“-Funktion der etablierten Medien noch intakt. Was die Deutsche Presse-Agentur (dpa) nicht zur Meldung erhob, was die großen Tageszeitungen und die – nicht selten monopolartigen – Regional- und Lokalblätter nicht berichteten, was ARD und ZDF nicht einer Nachricht für würdig erachteten, das fand in der öffentlichen Meinung auch nicht statt.

„Bild, BamS und Glotze“, mehr brauche er nicht zum Regieren, konnte der Neunziger-Jahre-Kanzler Gerhard Schröder noch prahlen. Reihenweise haben sich Parteien und politische Projekte rechts der Mitte an dieser Konstellation die Zähne ausgebissen. Der lange Abstieg der Republikaner begann, als die Bild deren Parteichef Franz Schönhuber die Gunst der Berichterstattung entzog und die willkürliche Verfassungsschutz-Beobachtung den Redaktionen den willkommenen Vorwand bot, die Parole „Über die wird nichts berichtet, außer Negatives“ auszugeben.

Diese Zeiten, zumindest, sind vorbei. Der Springer-Boulevard hat für seine angemaßte Rolle als regierungsamtliches Sprachrohr der „Willkommenspolitik“ schwer Federn lassen müssen. Und die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF stehen ratlos vor der Abstimmung mit den Füßen eines wachsenden Teils ihrer Zwangsabonnenten, die sich nicht mehr „framen“ lassen wollen, und können doch vom hohen Roß des garantierten Gebührenpolsters herab keinen Ausweg aus der Vertrauenskrise finden.

An der haben Internet und soziale Medien gewaltigen Anteil. Das Monopol der etablierten Filterer und Vorsortierer auf Bilder und Nachrichten ist dahin. Wer will, kann sich alternativ informieren, und ein steigender Anteil politisch interessierter Bürger tut das auch. Demo-Aufrufe, Bürgerinitiativen und Protestbewegungen sind nicht mehr auf die Gnade von Lokaljournalisten und Veranstaltungskalenderredakteuren angewiesen, um sich wie ein Lauffeuer zu verbreiten.

Eigene Kanäle in den sozialen Medien erlauben Parteien und politisch Engagierten, sich direkt ohne Umweg über etablierte Torwächter an potentielle Wähler, Interessenten oder Mitstreiter zu wenden. Und das dank des Schneeballeffekts beim Teilen und Verbreiten weit effektiver, einfacher, kostengünstiger und schneller als die Haus-zu-Haus-Verteilung von Flugblättern und Broschüren, die in den Neunzigern als wichtigstes Mittel zur Umgehung von Medienblockaden zur Verfügung stand.

Der Erfolg alternativer Anti-Establishment-Parteien – der AfD in Deutschland, der FPÖ in Österreich, von „Lega“ und „Fünf Sterne“ in Italien – ist von diesen neuen Kommunikationsmöglichkeiten wesentlich befeuert worden. In den USA hat Donald Trump vorgeführt, wie man mit konsequenter Direktkommunikation an etablierten Strukturen vorbei sogar ins höchste Staatsamt vorstoßen kann. 

Eine schlechte Nachricht ist das nur für die entthronten Torwächter, die sich zu lange auf ihren Privilegien ausgeruht haben; und für jene, die sich ebenso viel zu lange auf die Symbiose mit ihnen verlassen haben. Für alle anderen ist die Demokratisierung der politischen und gesellschaftlichen Kommunikation ein Befreiungsschlag.

Alle Versuche, die Emanzipation der Bürger von den alten medialen Vormündern mit Zensur, Überwachung, Einschränkung und Blockade zurückzudrehen, werden den Geist nicht mehr vollständig in die Flasche zurückbekommen. Zensur schafft unerwünschte Gedanken nicht aus der Welt, sie steigert die Kreativität der Zensierten bei ihrer Umgehung. Ihrem Wesen nach sind Internet und soziale Medien nicht rechts, nicht links, sondern frei.