© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Gefeiert wie eine Heilige
Schülerprotest: Klimaaktivistin Greta Thunberg besucht „Fridays For Future“-Demonstration in Hamburg / Linksextremisten versuchen dort Fuß zu fassen
Hinrich Rohbohm

Sie steht in der ersten Reihe. Alle Kameras sind auf sie gerichtet. „Ein Transparent, wir brauchen sie mit einem Transparent“, ruft ein Fotojournalist in die Menge der knapp 4.000 selbsternannten Klimaschützer, die am vergangenen Freitag durch die Hamburger Innenstadt demonstrieren. Aus den hinteren Reihen holen einige Mitstreiter ein weißes Schild hervor. „Skolstrejk För Klimatet“ steht da auf schwedisch drauf. Schulstreik für das Klima.

 Greta Thunberg bekommt es in die Hand gedrückt. Sie weiß kaum, wie ihr geschieht. Sogenannte „Klimaaktivisten“ schieben sie in die richtige Position hinter dem aufgespannten Banner, ziehen sie vor die Objektive der Kameras. Irritiert und ein wenig verängstigt blickt sich das Mädchen um. „Schild hochhalten“, kommt von Journalisten als Kommando, während Ordner die Medienvertreter zum Weitergehen auffordern. Hinter und neben der 16jährigen laufen Schüler und Studenten hinter dem Transparent mit der Aufschrift „March Now or Swim Later“. Die meisten der Demonstranten sind Schüler, die sich an diesem Morgen eigentlich in ihren Klassenräumen befinden sollten. Stattdessen stehen sie auf dem Gänsemarkt. Mütter, die gerührt ihre Kinder zur Demo statt zur Schule begleiten. Lehrer, die den Unterricht sausen lassen und ihre Pflichten ignorieren. 

Kanzlerin Merkel stellt sich auf die Seite der Schüler

Die Hamburger Schulbehörde hingegen stellt unmißverständlich klar: Wer während der Schulzeit demonstriert wird als Schulschwänzer angesehen – mit allen disziplinarischen Konsequenzen. Doch was ist die Anmahnung von Recht und Gesetz wert, wenn sich selbst die Regierungschefin einmal mehr darüber hinwegsetzt? „Ich unterstütze sehr, daß Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür kämpfen“, lobt Angela Merkel (CDU) den Schulstreik in ihrem Videopodcast. Damit fällt die Bundeskanzlerin nicht zuletzt ihrer eigenen Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) in den Rücken, die zuvor noch die Einhaltung der Schulpflicht angemahnt hatte. 

Auch so mancher Lehrer kommt auf dem Gänsemarkt seiner Vorbildfunktion nicht nach, beteiligt sich vielmehr an der Verbreitung von Angst und irrationaler Endzeitstimmung. „Es geht hier doch um viel mehr. Es geht um unser aller Überleben“, erklärt eine Pädagogin mit dramatischem Gesichtsausdruck und weit aufgerissenen Augen. Mit der Tatsache, daß sich hier auch Anhänger diverser linksradikaler Gruppierungen tummeln und ihr extremistisches Propagandamaterial unter die Schüler bringen, haben diese Pädagogen dagegen offenbar kein Problem. 

Wie etwa die Gruppe „Ende Gelände“, die sich bei den Schülerstreiks mit der Forderung nach einem sofortigen Kohleausstieg positioniert. Tatsächlich verbirgt sich hinter der Aktion die sogenannte Interventionistische Linke (IL). Emily Laquer, eine der führenden Köpfe der IL, postete auf Twitter Fotos von sich bei der Hamburger Demo. Laut Bundesinnenministerium ist die Gruppierung seit Jahren maßgeblich an linksextremistischen Kampagnen beteiligt, die sich dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben haben, zuletzt bei den Protesten und Ausschreitungen im Hambacher Forst (JF 45/18). 2017 war sie maßgeblich für die schweren Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg verantwortlich.

Wegen ihrer Gewaltbereitschaft taucht die Gruppe seit Jahren in den Verfassungsschutzberichten auf. Die IL versuche, durch „gezielte taktisch-strategische Bündnisarbeit mit Nicht-Extremisten“ linksextremistische Agitation über die eigene Szene hinaus anschlußfähig zu machen. Dabei fungiere sie „als Bindeglied sowohl innerhalb des linksextremistischen Spektrums als auch zwischen Extremisten und Nichtextremisten“, warnen die Verfassungsschützer. 

Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) versucht während der Demo den Schülern das Jugendmagazin Rebell schmackhaft zu machen, das Organ ihrer Kinderorganisation „Rotfüchse“. Banner der linksradikalen Antifa werden hochgehalten. Vertreter der radikalen Umweltschutzorganisation Extinction Rebellion (siehe Infokasten) verteilen Flugblätter an die zumeist noch minderjährigen Schüler. Sie treffen damit auf ein bereitwilliges Umfeld. Denn schon in den Grundschulen werden Kinder einer sogenannten Klimaschutzerziehung unterzogen. So heißt es in einem Schreiben des Rektors einer niedersächsischen Grundschule vom August vorigen Jahres an die Eltern von Erstkläßlern: „Ziel ist es, auch Grundschulkinder schon so früh wie möglich für das gravierende Problem des Klimawandels zu sensibilisieren. Ein Umweltproblem, das, von Menschen auf jeden Fall mit verursacht, schlimme Folgen für die gesamte Menschheit nach sich ziehen wird, wenn nicht bald einschneidende Maßnahmen ergriffen werden. Da entsprechende Entscheidungen von den Mächtigen der Welt nach wie vor auf die lange Bank geschoben werden, ist es um so wichtiger, schon im Kleinen darauf aufmerksam zu machen.“ Sätze politischer Indoktrination, die nun auf der Straße zum Ausbruch kommen. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, dröhnt ein abgedroschener Demo-Spruch aus den Kehlen zahlreicher Schüler, die dem Aufruf der „Fridays For Future“-Bewegung und der damit verbundenen Aussicht auf einen schulfreien Vormittag nur allzu bereitwillig folgen.

„Schulschwänzen rettet die Welt nicht“, ist dagegen der schulpolitische Sprecher und Vorsitzende der AfD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, Alexander Wolf, überzeugt: „Diese Aktion bewirkt allenfalls, daß unsere Schüler noch unwissender, aber dafür um so indoktrinierter ins Erwachsenenleben starten.“ Wolf spricht von einem „Kinderkreuzzug“, bei dem „Fakten und Vernunft keine Rolle“ spielten. Wer eine bessere Welt schaffen wolle, brauche fundiertes Wissen und einen geübten Verstand. „Der beste Ort, das zu erwerben, ist die Schule.“

Doch dort sind an diesem Tag weniger Kinder. „Unsere ganze Schulklasse ist hier“, verkündet ein gerade mal 11 Jahre alter Fünftkläßler der Goetheschule. Gemeinsam mit seinem gleichaltrigen Freund hat er wie viele andere ein eigenes Transparent gebastelt. „Meines habe ich im Werkunterricht gebaut“, sagt sein Freund, der die Grundschule Gumbrechtstraße im Stadtteil Harburg besucht. Und was sagen die Lehrer zum Schuleschwänzen? „Die unterstützen das“, bestätigen beide. Und haben auch sofort eine Begründung dafür parat: „Wenn wir in 20 Jahren alle wegen der Klimakrise tot sind, nützt uns der Unterricht nichts.“ Der Satz wirkt einstudiert. Er fällt oft an diesem Morgen. Hätte man nicht auch am Nachmittag demonstrieren können? Nach der Schule? „Es geht darum, die Leute wachzurütteln. Wenn keiner schwänzt, dann interessiert das auch keinen. So aber regen sich alle auf, und das ist gut so, weil es auf das Thema aufmerksam macht“, argumentiert eine Gruppe weiblicher Teenager, die immer wieder „Greta, Greta“, aus der Menge heraus ruft. „Sie ist ein unglaublich mutiges Mädchen“, zollt eine von ihnen Respekt. 

Am Rathausplatz soll die junge Schwedin eine kurze Rede halten. Sie beginnt mit einem schüchternen „Moin“. Sofort brandet Jubel unter ihren 4.000 Anhängern aus. Viele halten ihre Mobiltelefone hoch, wollen ein Bild von Greta. Zu lange seien die Politik und die Mächtigen damit durchgekommen, nichts gegen die „Klimakrise“ unternommen zu haben. „Wir werden sicherstellen, daß sie damit nicht davonkommen.“ Jubel. Die Schülerschaft in Deutschland habe Großartiges geleistet und könne stolz sein. 

Immer wieder blickt Greta verunsichert zu der sechs Jahre älteren Studentin Luisa Neubauer, dem deutschen Gesicht der „Fridays for Future“-Bewegung und Mitglied bei den Grünen. Die 22jährige weicht Greta Thunberg nicht von der Seite, redet ihr immer wieder gut zu, gibt Anweisungen und Ratschläge. Ein kurzes anerkennendes Nicken der umstehenden Älteren. Greta Thunberg erwidert mit einem Blick der Erleichterung. Dann spricht das Mädchen weiter.





Extinction Rebellion

Ihre Reden auf der Weltklimakonferenz in Kattowitz und auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gingen um die Welt und machten Greta Thunberg schlagartig zur Symbolfigur der „Klimarettung.“ Ermöglicht wurde dieser Coup durch das Wirken der radikalen Umweltbewegung Extinction Rebellion. Einer ihrer Aktivisten, der Schwede Bo Thorén, hatte das 16 Jahre alte Mädchen angeworben und ihr die Akkreditierung auf der UN-Klimakonferenz erst ermöglicht. Bei Extinction Rebellion handelt es sich um eine im Oktober vorigen Jahres ins Leben gerufene internationale Organisation, die weltweit zu zivilem Ungehorsam aufruft, um die „Klimakrise“ zu beenden. Unter anderem versucht sie, „einen Geist der kreativen Rebellion zu wecken und zu erhalten, der dringend notwendige Veränderungen in unserer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Landschaft ermöglichen wird“. Im November vorigen Jahres blockierte die Bewegung mit 6.000 Demonstranten mehrere Stunden lang die fünf wichtigsten Brücken Londons. Sie ist maßgeblicher Antreiber der Schulstreikbewegung „Fridays for Future“.