© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Zeitschriftenkritik: Aviso
Frauen im Kulturbetrieb
Werner Olles

Die viermal jährlich erscheinende Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern Aviso befaßt sich in ihrer aktuellen Ausgabe (1/2019) mit dem Thema „Frauen. Gleiche Chancen – andere Möglichkeiten“. Wenn Bernd Sibler, bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, in seinem Vorwort davon spricht, daß „etwa die Hälfte der Studentinnen und Studenten Frauen sind“, dann klingt dies sprachlich sperrig. Aber daß die Autorin des Beitrags „(Mehr) Frauen in der Medienbranche“ nicht auf die berüchtigten Gender-Sternchen (Bewerber*innen) verzichtet, stört die Lesbarkeit des Artikels ungemein. Zudem ist er auch inhaltlich fragwürdig. So muß man sich nur einmal vergegenwärtigen, wie viele TV-Kommissarinnen inzwischen unterwegs sind.

Kritikwürdig ist auch der Beitrag „Evas Töchter. Wie der Nationalsozialismus die Frauenbewegung und ihre Netzwerke in München zerstörte“. Historisch ist es durchaus umstritten, daß die Machtübergabe an die Nationalsozialisten das Ende der modernen bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland bedeutete. Man muß nicht einmal prominente Namen wie Leni Riefenstahl oder Hanna Reitsch bemühen, um nachzuweisen, daß die NS-Ideologie eine Emanzipation besonderer Art hervorbrachte, was sich vor allem in der steigenden Zahl berufstätiger Frauen niederschlug. Auch die Behauptung, „die treusorgende Mutter und Hausfrau (ist) die übliche Frauenrolle der 1950er und 60er Jahre“, ist falsch. Man denke nur an die „Trümmerfrauen“ nach dem Krieg und den hohen Anteil der Fabrikarbeiterinnen, die die Rolle der versehrten und gefallenen Männer einnahmen und einen Modernisierungsschub auslösten. 

In dem Beitrag „Was uns bewegt“ erzählen vier Künstlerinnen aus Bayern ihre Geschichten. Die Geigerin Anne-Sophie Mutter bekennt, daß „Kinder und Musik“ sie glücklich machen. Sie hilft dabei, rumänische Mädchen von der Straße wegzuholen, wo sie Opfer von Zwangsprostitution oder Zwangsverheiratung werden. Berührend ist auch die Geschichte der Afghanin Nahid Shahalimi, die der Überzeugung ist, wer etwas Gutes tun will, sollte einfach hingehen und es tun. Der Krieg hatte ihr den Vater genommen, als der Schah, der letzte König von Afghanistan, 1973 gestürzt wurde. Reich und weiblich zu sein ohne ein Familienoberhaupt wurde für sie zum Fluch. Sie wurde um ihre Kindheit betrogen, aber gab nie auf. Auf sie paßt jenes Wort, mit dem sich die Schauspielerin Jutta Speidel nicht sonderlich bescheiden selbst beschreibt: „Courage!“ 

Wenig erfreulich ist auch die Aviso-Umfrage bei führenden Frauen im bayerischen Kulturbetrieb. Von acht Befragten spricht sich einzig die Direktorin des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst Sylvia Schoske gegen die gendergerechte Sprache aus. Das Gendern wirke „kontraproduktiv und verstärke Vorurteile“. Zudem ließen sich reale Probleme nicht durch Sprache lösen, und eine Quotenfrau möchte sie auch nicht sein.

Kontakt: Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Salvatorstr. 2, 80333 München, Telefon: 089 / 21 86 22 42. Der Bezug ist kostenlos.  

 www.stmwk.bayern.de