© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Dorn im Auge
Christian Dorn

Nach der Buchvorstellung Laila Mirzos („Nur ein schlechter Muslim ist ein guter Muslim“) berichtet eine Hortbetreuerin vom muslimischen Erstkläßler, der so unschuldig wie begeistert von Silvester erzählte: Ja, sie hätten auch eine Rakete abgeschossen. Darauf hätten sie vorher „Jude verrecke“ geschrieben, und dann sei die Rakete ganz toll am Himmel explodiert. Da hilft nur die Flucht ins Künstlerhaus Bethanien, das der diesjährige Falkenrot-Preisträger mit dem sprechenden Namen Erez Israel okkupiert hat (bis 24. März 2019). Dessen Obsession des Deutschen zeigt sich eindrucksvoll etwa in der auf den Besucher zufliegenden Schar deutscher Adler, die einen im Handumdrehen in die Welt Hitchcocks versetzen. Alles andere als spannend dagegen die Autorin im Café, die mir von den jüngsten Dreharbeiten ihrer Dokumentation über „jugendliche Aktivisten“ berichtet. So hätten zwei Schülerinnen der Kampagne „FridayForFuture“, die freitags die Schule boykottieren, um gegen den Klimawandel zu protestieren, nach der Demonstration genüßlich ihre Hamburger von McDonald’s gegessen. Hier, inflagranti erwischt, würde die Dokumentation wirklich lebendig – aber da wollte die Autorin nicht mit unangenehmen Fragen nachhaken. Kopschüttelnd spende ich ihr den Segensspruch für die Klimakirche: „Ist die Krankheit erst letal / Biste bald – klimaneutral.“


Auf dem Gehweg nachts, kurz vor der Haustür, ein Bettler, der um etwas Geld für einen Schlafplatz bittet. In dem Augenblick selber mittellos, laufe ich weiter, mir entgegenkommend zwei Frauen, die eine zur anderen im so belustigten wie ablehnenden Tonfall: „... ha, also Schlafen!“ Die Wirklichkeit rückt auch im Café der Sowjetzone näher, da ich gerade den Aufkleber mit dem Motto „Comrades, I Am Not Ashamed of My Communist Past“ abgerissen habe, der für ein beklopptes Projekt im „HAU“ (Hebbel am Ufer) wirbt. Kaum bin ich durch die Tür, provoziert mich der linke Künstler mit der rhetorischen Frage: „Na, du Kommunistenjäger!?“ Bei der engen Räumlichkeit, denke ich, wäre eher ein Kammerjäger gefragt. In der Tat wird es wenige Tage darauf an selbiger Stelle höchst „toxisch“: Während ich belustigt in der Süddeutschen die Kritik „Nervt!“ überfliege, eine anbiedernde Besprechung des Titels „Eure Heimat ist unser Albtraum“ mit dem Foto der beiden Autorinnen Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah, und kopfschüttelnd auflache, fällt mein Blick erschreckt auf die leibhaftige adipöse Gestalt Yaghoobifarahs, die mir drei Schritte schräg gegenüber sitzt.