© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Kunst ist kein Sonntagsspaß
Querbeet: Feuilletons von Friedrich Luft
Ansgar Lange

Der 1990 verstorbene Theaterkritiker Friedrich Luft war eine Berliner Institution. Insbesondere beim Rundfunksender RIAS galt er als die „Stimme der Kritik“. Über vierzig Jahre lang, von der Erstsendung am 9. Februar 1946 bis kurz vor seinem Tod, meldete er sich dort jeden Sonntagmittag mit seinen Kulturbetrachtungen zu Wort. In der „Anderen Bibliothek“ ist nun eine sehr schön aufgemachte Ausgabe einiger seiner Feuilletons erschienen, die der Literaturkritiker Wilfried F. Schoeller zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen hat. 

Der Herausgeber stapelt nicht tief: „Dieser höchst beachtete Friedrich Luft hat die Institution der Theaterkritik nach dem Zweiten Weltkrieg gleichsam wiedererschaffen.“ Ein lakonischer, lapidarer Stil war ein Merkmal der Luftschen Feuilleton-„Luftsprünge“. Und genauso stellte er sich seinen Hörern im Februar 1946 vor: „Luft ist mein Name. Friedrich Luft. Ich bin 1,86 groß, dunkelblond, wiege 122 Pfund, habe Deutsch, Englisch, Geschichte und Kunst studiert, bin geboren im Jahre 1911, bin theaterbesessen und kinofreudig und beziehe die Lebensmittel der Stufe II.“

Schon in der materiellen Not der Nachkriegszeit hielt er Kunst für mehr als einen „Sonntagsspaß und Schnörkel am Alltag“. Erst der Geist fülle das Leben, und er wollte in keiner Welt ohne Theater und Musik leben. Der letzte Sinn des Menschen bestehe nicht darin, daß er eine Aktentasche trage und emsig sei.

Man kann diese feinen Feuilletons vom Anfang bis zum Ende lesen oder auch einfach querbeet schmökern. Dann landet man zum Beispiel bei der Glosse mit dem Titel „Quatsch in schöner Gestalt“. Hier polemisiert Luft vortrefflich gegen die „Jargonbenutzer“, die „neuen Salbader“ und die „parfümierte Kleisterrede“. „Die Klarheit, die Verständlichkeit, die am Ende wie mühelos scheinende Durchsichtigkeit eines Gedankens macht den Redner wie den Schriftsteller“, so Luft. Dieser Satz sollte manchen heutigen Feuilletonisten, die für FAZ oder die Süddeutsche Zeitung zur Feder greifen, ins Stammbuch geschrieben werden. Luft schrieb und sprach für seine Leser und Hörer. Heutige Feuilletonisten bisweilen nur für ihre Berufskollegen.

Friedrich Luft: Über die Berliner Luft. Feuilletons. Versammelt und mit einem Nachwort versehen von Wilfried F. Schoeller. Die Andere Bibliothek, Berlin 2018, 431 Seiten, 42 Euro