© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Die Meinungen gehen auseinander
Junge Union: Übergangslösung oder langfristige Planung? Duell um Wahl des neuen Bundesvorsitzenden spitzt sich zu
Hinrich Rohbohm

Tag der Entscheidung bei der Jungen Union (JU): An diesem Wochenende wählen die Delegierten des Deutschlandtages einen neuen Bundesvorsitzenden. Außerplanmäßig, denn der bisherige Vorsitzende Paul Ziemiak war im Oktober vorigen Jahres gerade erst in seinem Amt bestätigt worden. Dann kam der CDU-Bundesparteitag. Annegret Kramp-Karrenbauer wurde Parteivorsitzende – und schlug Ziemiak als neuen Generalsekretär vor. 

Ein Vorgang, der den Parteinachwuchs zwar erfreute, gleichzeitig aber unerwartet traf. Entsprechend unvorbereitet in ihren Personalplanungen sind die einflußreichen Landesverbände. So wird der übermächtige Landesverband Nordrhein-Westfalen erstmals seit über 20 Jahren nicht mehr den Vorsitzenden stellen. Geht es nach dem Willen führender Funktionäre wird der Thüringer Stefan Gruhner neuer JU-Chef. Mit seinen 34 Jahren wäre er ein Übergangsvorsitzender, da man für gewöhnlich mit dem 35. Lebensjahr aus der Jungen Union ausscheidet. Laut Satzung darf ein gewählter Amtsträger der Nachwuchsorganisation noch bis zum Ende der Wahlperiode angehören. Dann aber ist Schluß. Was bedeutet: Spätestens in zwei Jahren müßte die JU im Falle von Gruhners Wahl schon wieder einen anderen Vorsitzenden wählen, wahrscheinlich sogar schon in 18 Monaten. Und genau darüber gehen die Meinungen bei den Jungunionisten auseinander. Sollen sie einen Übergangskandidaten oder einen mit längerer Perspektive wählen? Der Landesverband Niedersachsen plädiert für Variante zwei. Sein Vorsitzender Tilman Kuban hat daher ebenfalls den Hut in den Ring geworfen, er will die Geschicke des CDU-Nachwuchses über einen längeren Zeitraum lenken. Der 31jährige gilt als der konservativere der beiden Kandidaten. In der Vergangenheit hatte er mehrfach offen Kritik am Kurs der Kanzlerin geübt, insbesondere an Merkels Migrationspolitik. Aller Voraussicht nach wird er künftig dem Europaparlament angehören. „Ein Europapolitiker als JU-Chef würde gerade angesichts der bevorstehenden Wahl guttun“, sagen seine Fürsprecher. 

Die Unterstützer Gruhners argumentieren ähnlich, verweisen in diesem Zusammenhang aber auf die drei bevorstehenden Landtagswahlen im Osten. Als thüringischer Landtagsabgeordneter habe Gruhner Erfahrung im Umgang mit der Höcke-AfD. Der entscheidendere Vorteil für Gruhner: Die mitgliederstarken Landesverbände Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen haben sich bereits für ihn als Bundesvorsitzenden ausgesprochen. Hinzu kommen Schleswig-Holstein sowie die Ostverbände Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Kuban kann dagegen auf den zweitstärksten Landesverband Bayern, auf Mecklenburg-Vorpommern und seine eigenen Niedersachsen setzen. 

Stimmen die Delegierten so ab, wie es sich die Spitzenfunktionäre der JU wünschen, dürfte Gruhner das Rennen machen. Doch viele an der Basis lassen sich nicht mehr als „Stimmvieh“ von ihren Vorsitzenden zur Wahl eines bestimmten Kandidaten verdonnern. Während auf Bundesparteitagen der CDU die Abhängigkeitsverhältnisse der zumeist aus Berufspolitikern bestehenden Delegierten enorm hoch ist, entscheidet bei den noch nicht in den Polit-Apparat Eingebundenen noch nicht das reine Karriere-Kalkül. Die Vorstellungsreden werden daher auf dem JU-Deutschlandtag eine entscheidende Rolle spielen. 

Gruhner ist bekennender Homosexueller, sprach sich frühzeitig für die „Ehe für alle“ aus. Seine Wahl würde auch die stets um Einfluß bemühte Homo-Lobby innerhalb der JU stärken, die nicht zuletzt von dem noch immer stark in der JU vernetzten Jens Spahn protegiert wird. Gruhner steht offen zu seiner Mitgliedschaft in der Burschenschaft Teutonia Jena. Aber: „Konservativ ist der definitiv nicht“, versichert ein Weggefährte Gruhners aus der pflichtschlagenden Studentenverbindung gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. 

Auch die bereits verkündeten Präferenzen der Landesverbände können täuschen. In Hessen hatte sich der Landesvorstand nur mit einer Stimme Unterschied zugunsten von Gruhner entschieden. Daß die hessischen Delegierten deshalb komplett für den Thüringer votieren, ist unwahrscheinlich. In Schleswig-Holstein ist die Ausgangslage ähnlich. Nur äußerst knapp hatte sich dort vor kurzem die neue Landesvorsitzende Birte Glißmann gegen den konservativeren Christian Poltrock durchsetzen können. Entsprechend unterschiedlich dürfte daher auch das Abstimmverhalten der Norddelegierten ausfallen. Und selbst in Nord-rhein-Westfalen ist das Gruhner-Votum längst kein Selbstläufer: Nicht zuletzt Kubans Wahlkampfmanager kommt aus diesem mitgliederstärksten Landesverband.