© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Kampf um die Deutungshoheit
Opposition: AfD-Abgeordneter Espendiller sieht Netz als „Ort des politischen Streits“ bedroht
Christian Vollradt

Herr Dr. Espendiller, derzeit demonstrieren Tausende gegen eine Richtlinie, die Urheberrechtsverletzungen auf digitalen Plattformen künftig verhindern soll. Wozu die ganze Aufregung; macht die Europäische Union jetzt das Internet kaputt?

Espendiller: Ja, die EU macht das Internet kaputt und startet mit ihrer geplanten Richtlinie einen Generalangriff auf die Meinungsfreiheit im Netz. Daß es dabei vorgeblich um einen besseren Schutz von Urhebern geht, ist dabei mehr Verkaufsargument als Realität – den Politikern in den Mund gelegt von jenen, die seit Jahren mittels Lobbyarbeit ihre veralteten Geschäftsmodelle in das digitale Zeitalter retten wollen. Für die EU sowie für nationale und europaweite Polit- und Medienestablishments geht es hier um die Rückeroberung der politischen und medialen Deutungshoheit: Der „Konkurrent Internet“ soll verdrängt werden. Wird die Richtlinie verabschiedet, ist dies nach NetzDG & Co. die europaweite Einführung der Zensur im Netz.

Ist der Vorwurf der Zensur durch Filter wirklich berechtigt? Schließlich sollen doch Verwendungsformen wie Zitate oder Parodien unbeeinträchtigt bleiben?

Espendiller: Der Vorwurf ist meiner Meinung nach durchaus berechtigt. Nach Schätzungen wurden im Jahr 2014 rund 1,8 Milliarden Fotos allein in den sozialen Netzwerken hochgeladen und geteilt – und zwar pro Tag! Artikel 13 der Richtlinie verpflichtet Plattformbetreiber künftig, jeden einzelnen Upload auf Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Die Prüfung dieser Vielzahl an Beiträgen ist nur durch den Einsatz sogenannter Upload-Filter möglich. Diese Computeralgorithmen können aber gar nicht zwischen rechtlich erlaubter Parodie und unerlaubter Kopie unterscheiden, dies ist technisch nicht möglich. Im Zweifelsfall wird einfach gelöscht, auch wenn es sich um legale Inhalte handelt. Nutzer können sich dagegen nur mit viel Mühe und Zeit wehren, der Erfolg ist dabei fraglich. Die EU öffnet damit einer automatisierten Zensur Tür und Tor, teils aus technischem Unverständnis, teils vorsätzlich.

Internetaffine Mitglieder von Union und SPD befürchten, ihre Parteien könnten angesichts der Proteste auf absehbare Zeit gerade für junge Leute unwählbar werden. Versucht die AfD hier, eine neue Zielgruppe zu erschließen – oder ist das illusorisch angesichts einer Klientel, die sonst deutlich links „tickt“?

Espendiller: Die Freiheit des Internets ist für die AfD nicht verhandelbar, denn hier besteht Raum für freie Debatten, kritische Stimmen und eine Gegenöffentlichkeit – und zwar für alle Nutzer, unabhängig von ihrem Alter. Wie keine andere Partei verdanken wir unseren Erfolg auch der Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung im Netz. Daher werden wir das Netz gerade auch als einen Ort des politischen Streits bewahren und verteidigen. Dabei sollten jetzt alle, die Freiheit und Demokratie schützen wollen, an einem Strang ziehen.






Dr. Michael Espendiller, geboren 1989, ist Mathematiker und seit 2007 Abgeordneter des Bundestags. Er ist einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion und Mitglied im Ausschuß Digitale Agenda.