© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Am Aschermittwoch fängt alles erst an
Paul Rosen

Für Karnevalisten ist Berlin ein schwieriges Pflaster. Umzüge in Nähe des Reichstages wurden nach wenigen Jahren wieder eingestellt. Die berühmte „Ständige Vertretung“, die allen Menschen mit närrischem Blut immer Kölsch und somit Heimat bot, ist heute nur noch ein Schatten früherer Zeiten, als die Bonner Wirte Friedel Drautzburg und Harald Grunert das ganze Jahr Karnevalsstimmung verbreiteten. 

Das können andere inzwischen besser. Diskussionen im Regierungsviertel erwecken den Eindruck, als habe es  Aschermittwoch nie gegeben, sondern gerade die Großkoalitionäre hätten auf Dauerkarneval umgeschaltet. Für den besten Schenkelklatscher seit Jahren sorgte Kanzlerin Angela Merkel. Deutschland solle mit Frankreich einen Flugzeugträger bauen, forderte die Kanzlerin eines Landes, das nicht einmal den Begleitschutz für so einen Träger aufbieten könnte, weil zuwenig einsatzfähige Schiffe da sind. Und nach dem Atomausstieg die Beschaffung eines Schiffs zu fordern, das einen atomaren Antrieb haben müßte (mit Solarzellen fährt das nicht), ist besser als die meisten Büttenreden – und auf jeden Fall besser als eine von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die auch einen europäischen Flugzeugträger auf große Fahrt schicken will. Ob sie auf dem Schiff auf Toiletten für Diverse besteht, ist nicht bekannt.  

Bei so viel Humor im Unionslager wollte auch die SPD mitmachen und blies nicht zum Angriff, sondern ein kräftiges Tätä-Tätä. Zuerst ging Sigmar Gabriel in die Bütt. Der ist zwar Niedersachse, geht aber problemlos als rheinischer Karnevalist durch. Wenn „Siggi“ redet, muß man einfach lachen. Sein Spitzenkalauer war die Prognose, daß Merkel bald gestürzt werde, was aber gar nicht geht, weil sie erst noch den Flugzeugträger taufen will. Und dessen Bau dauert, auch wenn Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bereits die ersten Flugzeugträger-Beraterverträge vergeben haben soll. 

Der Träger soll übrigens nicht in Hamburg gebaut werden, weil der Hamburger Werften-Lobbyist Johannes Kahrs (SPD) eine Lachsalve nach der anderen über Merkels Abschied abschießt. Daß Debatten über die Kanzlerin eine Fortsetzung des Karnevals sind, bestätigt der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU): „Ich kenne in Union und SPD niemanden, der über so ein Szenario ernsthaft nachdenkt.“ Also alles nur Spaß. Etwas Ernst in die Diskussion brachte dann die Werte-Union; schließlich sind Werte keine spaßige Sache. Ihr Vorsitzender Alexander Mitsch erwartet, daß die SPD-Genossen nach den Landtagswahlen in den neuen Ländern den Spaß an der Großen Koalition verlieren und die Regierung „panikartig“ verlassen werden. Da ist eine Menge dran. 

Die Europawahl ist ein Stimmungstest. Für die Machtverhältnisse in Deutschland hat sie ebensowenig Bedeutung wie die Wahl in Bremen. Aber im Herbst, wenn drei Landtagswahlen in Ost-Ländern anstehen, dann spätestens ist die Berliner Karnevalssession vorbei. Sicher an der Schiffstaufe soll übrigens nur sein, daß sie eine Frau vornimmt. Ihr Vorname beginnt mit dem Buchstaben A.