© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

„Rußland nicht als Bedrohung sehen“
Interview: Der Moskau-Beauftragte der Lega, Gianluca Savoini, über den Dialog mit Putin und die deutsch-italienischen Beziehungen / „Großes Interesse an der AfD“
Alessandro Petri

Herr Savoini, die internationale Presse beschreibt Sie als Salvinis „Sherpa“ und als Putins Mann in Italien. Ist das wahr?

Savoini: Ich bin seit fast 30 Jahren einfaches Mitglied der Lega und seit 2014 Präsident der Lombardei-Rußland-Kulturvereinigung, die ich anläßlich des Ausbruchs der Krise in der Ukraine gegründet habe. Damals sahen wir, wie einige Westmächte ihren Einfluß auf den Osten ausdehnen wollten, um Druck auf Rußland auszuüben.Wir sahen zudem den Start einer Desinformationskampagne westlicher Medien, die Rußland als neue Form der Sowjetunion bezeichneten und Putin als Diktator beschrieben. Zusammen mit anderen Parteigenossen beschloß ich, die Lombardei-Rußland-Kulturvereinigung zu gründen, die einer objektiveren Sichtweise verbunden ist. 

EU-Sanktionen schaden Italien Also doch eine Parteiorganisation?

Savoini:  Wir sind unparteiisch, auch wenn wir ausgezeichnete Beziehungen zu Matteo Salvini haben, den ich in den vergangen Jahren regelmäßig nach Rußland begleitet habe. Bereits zur Zeit von Umberto Bossi kooperierte die Lega Nord in unterschiedlicher Intensität mit Moskau, aber Salvini hat einen ganz neuen Kurs eingeschlagen, der einen konkreten und kontinuierlichen Dialog mit Moskau ermöglicht.

Was will Salvini durch diese Dialoge mit Moskau erreichen?

Savoini: Salvini hat sich immer gegen die Rußlandsanktionen ausgesprochen und die EU aufgefordert, diese zu beenden. Vor diesen Sanktionen hatte Italien einen Handelsaustausch mit Rußland in Höhe von 50 Milliarden Euro, heute sind es nur noch 30 Milliarden. Dies ist ein zu großer wirtschaftlicher Verlust für eine Wirtschaft in einer Krise wie der italienischen. Auch aus diesem Grund wurde Salvini in Rußland kritisiert, nachdem Italien im Dezember plötzlich für die Beibehaltung dieser Sanktionen gestimmt hatte. Unsere russischen Freunde wissen jedoch sehr wohl, daß Italien nicht die Kraft hat, sich allein dem westlichen Druck zu widersetzen, und verstehen, daß es notwendig ist, eine starke  Gruppe innerhalb des Europäischen Parlaments zu schaffen, um sich ihnen entgegenzustellen. Das Hauptziel dieser Sanktionen besteht darin, Rußland aus Europa zu entfernen. Sie wurden vor allem von den USA gewünscht, die den Zusammenhang zwischen russischem Gas und europäischer, insbesondere deutscher und norditalienischer Technologie fürchten. Der Dialog zwischen Salvini und Rußland zielt daher vor allem auf die Abschaffung von Sanktionen und die Schaffung einer starken europäischen Zusammenarbeit ab, die Rußland als Möglichkeit und nicht als Bedrohung betrachtet.

Sie sagen, daß Italien und Deutschland ein gemeinsames Interesse an der Stärkung ihrer Beziehungen zu Rußland haben. Heute sind die Beziehungen zwischen der deutschen und der italienischen Regierung nicht besonders positiv. Glauben Sie, daß die gemeinsamen Interessen mit Rußland auch die Beziehungen zwischen Berlin und Rom stärken können?

Savoini: Sicherlich, weil Deutschland und Italien in den Augen der Russen drei sehr wichtige Eigenschaften haben, die sie zu den idealen europäischen Gesprächspartnern für Moskau machen. Erstens sehen die Russen in der keltisch-germanischen und griechisch-lateinischen Kultur die Wurzeln der gemeinsamen europäischen Identität, zu der sie  selbst gehören. Zweitens, weil sowohl Deutschland als auch Italien aus wirtschaftlicher Sicht unverzichtbare Partner für Moskau sind. Drittens, weil Italien und Deutschland aus politischer Sicht zwei Parteien haben, nämlich die Lega und die AfD, die für die Schaffung eines starken souveränen Pols im Europäischen Parlament unerläßlich sind, der die Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau positiv korrigieren kann. Rußland kann daher ein wichtiger Impulsgeber für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Rom und Berlin sowie zwischen der Lega und der AfD sein. 

Am 24. November 2018 hielten Sie eine Rede auf dem Hermanns-Treffen, das vom „Flügel“ der AfD im westfälischen Augustdorf veranstaltet wurde. Ist die Lombardei-Rußland-Kulturvereinigung das Bindeglied, das Verbindungen zwischen der AfD und Moskau herstellt?

Savoini: Die Lombardei-Rußland-Kulturvereinigung steht jedem offen, der die Rolle, die Rußland heute auf geopolitischer Ebene spielt, besser verstehen will. Sowohl die Lega als auch die AfD haben diese Sensibilität gezeigt, und ein Großteil der AfD hat Interesse an positiven und freundschaftlichen Beziehungen zu Italien und Salvini. Der Lega-Chef und Innenminister selbst hat in jüngster Zeit klare Botschaften der Offenheit für eine engere Zusammenarbeit mit Deutschland ausgesandt. Leider sind die deutsch-italienischen Beziehungen heute vor allem wegen der katastrophalen Politik von Angela Merkel, insbesondere im Bereich der Migration, äußerst schwach. Jetzt, da die Ära Merkel langsam zu Ende zu gehen scheint, wissen wir nicht, was nach ihr kommen wird. Aber wir wissen, daß es viel Platz für diejenigen geben wird, die Identität und Tradition verteidigen. Wir wissen auch, daß Rußland und Putin eine grundlegende Rolle bei der Verteidigung von Identität und Traditionen spielen und daß daher viel Raum für Zusammenarbeit bleibt.

Glauben Sie, daß die AfD von seiten Moskaus als adäquater Gesprächspartner angesehen wird?

Savoini: Ich weiß, daß einige AfD-Politiker jüngst nach Moskau gereist sind,   um sich selbst ein Bild zu machen. In Rußland gibt es ein großes Interesse an der AfD. Moskau hat realisiert, daß sich die SPD, einer der wichtigsten traditionellen deutschen Gesprächspartner, im freien Fall befindet. Der Niedergang der europäischen Sozialdemokratie kann auch nicht aufgehalten werden. Sie hat die Bindung zur Arbeiterklasse verloren und wird bereits überall von Parteien der globalistischen Linken wie den Grünen überwunden. Vor diesem Hintergrund haben Lega und AfD die Möglichkeit, diese Lücke zu füllen. 




Gianluca Savoini, Jahrgang 1963, spricht kein Russisch. Der Lega-Politiker ist Vorsitzender der Lombardei-Rußland-Gesellschaft und enger Berater des italienischen Innenministers Matteo Salvini. Unter dessen und Savoinis Ägide hat die Lega seit 2013 ihre Beziehungen mit dem Kreml und speziell zu Putins Partei Einiges Rußland stark ausgebaut.

 

weitere Interview-Partner der JF