© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Grüße aus Bern
Männer in Uniform
Frank Liebermann

Es ist ein stinknormaler Freitag am späten Nachmittag. Vier junge Männer in grüner Armeeuniform betreten den Zug von Bern nach Neuenburg. Jeder von ihnen hat sein Sturmgewehr umgeschnallt, es baumelt locker vor dem Körper. 

Für die eingeborenen Schweizer sind uniformierte Militärangehörige in der Öffentlichkeit nichts Besonderes, sind sie doch schon seit langer Zeit daran gewöhnt. Die deutschen Touristen, von denen es in Bern Massen gibt, schauen bei diesem Anblick meist eher verstört aus der Wäsche. 

Bei mir verhielt es sich früher ähnlich. Schließlich ist es für den friedliebenden Bundesbürger nicht mehr üblich, außerhalb von Weihnachtsmärkten und Volksfesten bewaffnete Männer zu sehen. Schon zu meiner Zeit verzichteten wir Wehrpflichtigen überwiegend auf die Uniform beim Verlassen der Kaserne, galt diese doch als häßlich. Eine Heimreise mit dem G3 – unmöglich.

So kann es vorkommen, daß der Lehrer den Unterricht in schicker Uniform hält.

Anders die Schweiz. Wer durch Bern läuft, trifft immer wieder auf Armeeangehörige in Uniform. Das liegt daran, daß eine Uniform-pflicht im Ausgang besteht. Diese soll die Unterscheidung von Zivilisten und Militärpersonen erleichtern. 

Dadurch können Probleme entstehen. Die Reaktionen auf Militärangehörige sind teilweise negativ. Gelegentlich kommt es zu Provokationen, auf die Soldaten professionell reagieren müssen. Manchmal ist aber auch das Gegenteil der Fall. Da jeder taugliche Mann der Dienstpflicht unterliegt, gibt es eine breite Akzeptanz der Uniform. Einladungen zu einem Bier sind keine Seltenheit.

Das Milizsystem verlangt eine Freistellung der Soldaten vom Arbeitgeber. Diese Belastung für die Wirtschaft ist nicht zu unterschätzen. Zu Beginn sind 124 Tage Rekrutenschule zu leisten. In den nächsten Jahren muß der Dienstpflichtige zu sechs Wiederholungskursen einrücken, für mindestens neunzehn Tage oder länger. Bei Unteroffizieren und Offizieren ist der Aufwand mit zunehmender Bedeutung des Dienstgrades wesentlich höher. 

Da die Dienstleistenden beruflich meist voll im Saft stehen, kommt es zu erheblichen Doppel- belastungen. Dies führt nicht selten dazu, daß Soldaten für wichtige Arbeiten oder Ausbildungen vom Dienst freigestellt werden. So kann es dann vorkommen, daß der Informatiker sein System repariert und der Lehrer im Unterricht steht, gekleidet in schicker Uniform.