© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Es geht nicht mehr um Links oder Rechts
Belgien: Der rechtsnationale Vlaams Belang befindet sich im Aufwärtstrend / Umfragen verheißen deutlichen Zuwachs
Mina Buts

Obwohl Belgien mit Brüssel die EU-Hauptstadt beherbergt, spielt die Europawahl für das Land am 26. Mai eher eine untergeordnete Rolle. Denn am gleichen Tag werden die Wahlberechtigten unter den elf Millionen Einwohnern aufgefordert, nicht nur für das Europäische Parlament, sondern auch für das belgische und – je nach Wohnort – das flämische, das wallonische oder das Brüsseler Parlament ihre Stimme abzugeben, die Verweigerung der Stimmabgabe ist bußgeldpflichtig. 

Spannend werden die Wahlen allemal, denn seitdem Ende des vergangenen Jahres die nationalkonservative N-VA ihre Beteiligung an der belgischen Regierung aufkündigte, regiert ein Minderheitenkabinett. Ihre vollmundigen Versprechen, insbesondere in bezug auf die Integration von Einwanderern und die Eindämmung der Kriminalität, hat die N-VA nicht einlösen können. Weder gelang dies dem amtierenden Bürgermeister von Antwerpen, dem Parteivorsitzenden Bart de Wever, dessen Stadt gerade in völliger Anarchie versinkt, noch dem Staatssekretär für Integration, Theo Francken, der zwar immer wieder für markige Sprüche sorgte, letztendlich aber seine Ankündigungen nicht durchsetzte. Als Ende 2018 die Unterzeichnung des UN-Migrationspakts durch die belgische Regierung anstand, meinte die N-VA, sich mit einem Rückzug aus der Regierungskoalition retten zu können. Ob diese Rechnung allerdings aufgegangen ist, wird sich erst noch zeigen müssen.

 UN-Migrationspakt steht im Fokus der Kritik 

Zwar dürfte die N-VA, wenn auch deutlich geschrumpft, mit etwa 27 Prozent der Wählerstimmen erneut stärkste Kraft im flämischen Landesteil werden. Es kristallisiert sich aber jetzt schon heraus, daß der rechtsnationale Vlaams Belang (VB) zu den Wahlsiegern gehören wird und seinen Stimmenanteil im Vergleich zu den Wahlen 2914 auf elf Prozent verdoppeln dürfte.

„2019 wird unser Jahr“, verspricht denn auch der 32jährige Parteivorsitzende Tom Van Grieken, der im Mai vom flämischen in das belgische Parlament wechseln wird. Tatsächlich führt die Partei einen sehr schwungvollen Wahlkampf. „Beschützt unsere Menschen“ und „Beschützt unsere Wohlfahrt“ sind die Slogans des Wahlkampfs. Mit ihrer konsequenten Kritik am UN-Migrationspakt hat die Partei tatsächlich gepunktet. Über 69.000 Unterschriften wurden gesammelt.  Es war vor allem der vom Vlaams Belang auf die N-VA ausgeübte Druck, der diese zum Rückzug aus der Regierung zwang. Nur wenige Tage später fand im Brüsseler Parlament ein vom VB organisierter hochkarätig besetzter Kongreß der „Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit“ statt, bei dem neben Marine Le Pen vom Rassemblement National (ehemals Front National) auch Steve Bannon, der ehemalige Wahlkampfleiter von Donald Trump, sprach. In Anbetracht der vernichtenden demographischen Folgen des Migrationspakts sei es von größter Bedeutung, daß alle patriotischen Kräfte in Europa zusammenarbeiteten, so der Tenor der Veranstaltung. 

Die Zusammenarbeit mit dem Rassemblement National und Marine Le Pen ist traditionell sehr eng, die FPÖ von Heinz-Christian Strache gilt als „Schwesterpartei“. Auch mit der italienischen Lega von Matteo Salvini und der niederländischen PVV gibt es ein gutes Verhältnis. Der im Mai 2016 hinzugekommene parteilose Ex-AfD- Abgeordnete Marcus Pretzell sorgt immerhin für die Aufrechterhaltung des Fraktionsstatus, seine Wiederwahl ist jedoch nicht wahrscheinlich. Bereits jetzt buhlt die Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) um eine Beteiligung der AfD, die mit bis zu zwölf Abgeordneten in das Europaparlament einziehen dürfte. Nach belgischen Prognosen wird die Zahl der Mitglieder in der eurorechten Fraktion von 37 auf bis zu 59 ansteigen. 

Wahl zwischen einer EU à la Merkel oder Orbán 

Für den Vlaams Belang wird erneut der ehemalige Parteivorsitzende Gerolf Annemans in das Europaparlament einziehen. Um der in Belgien verpflichtenden Frauenquote zu genügen, steht auf Platz zwei die unbekannte Patsy Vatlet, die aber dem Listennachfolger Tom Vandendriessche, sollte die Wahl das ergeben, den Vortritt lassen wird. Dieser präsentierte sich beim Neujahrsempfang seiner Partei als Gegner einer „wilden Globalisierung“, die die flämische Wohlfahrt unterminiere. 

In dieser Woche machte Van Grieken bei einem Fernsehinterview in der flämischen TV-Sendung Terzake  noch einmal deutlich, wie wichtig die kommenden Wahlen sind. Europa stehe an einem Scheideweg, die Grenze verlaufe längst nicht mehr zwischen Links und Rechts. Die Wähler hätten zu entscheiden, ob sie die Globalisierung à la Angela Merkel und Emmanuel Macron wollten oder aber eine den Nationen dienende Politik, wie die von Salvini und Viktor Orbán.





EUROPAWAHL

Die Europawahl am 26. Mai 2019 wirft ihre Schatten voraus. Vielen EU-Ländern steht laut Meinungsumfragen eine Überraschung bevor. „EU-Skeptiker im Aufwind“, „Warnung vor Erfolg der Rechtspopulisten“ lauten die Schlagzeilen.  In loser Folge wird die JF-Serie Rechtsparteien in den Staaten der Europäischen Union beleuchten.