© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Visionen zur Ablenkung
Verkehrsindustrie: Während die deutsche Autoindustrie mit CO2-Strafen drangsaliert wird, schwärmen Politiker von Flugtaxis
Karsten Mark

Die weltweiten Verkaufszahlen auf 1,81 Millionen eingebrochen und damit hinter Mercedes und BMW zurückgefallen. Das operative Ergebnis von 5,1 auf 4,7 Milliarden Euro und die Rendite von 8,5 auf 7,9 Prozent zurückgegangen. Vorstandschef Rupert Stadler wegen „Dieselgate“ und „Verdunkelungsgefahr“ vier Monate in Untersuchungshaft und schließlich von dem Niederländer Abraham Schot abgelöst – 2018 war kein gutes Jahr für Audi.

Für Ältere, Kinder oder Leute ohne Führerschein?

Auch in diesem Jahr reißen die Hiobsbotschaften nicht ab: Die Absatzschwäche hält an. Schot muß die „Personalstruktur überdenken“: Nicht nur Führungskräfte, auch auf den unteren Ebenen drohen Stellenstreichungen. Es gibt aber auch gute Nachrichten aus der oberbayerischen Industriemetropole Ingolstadt – zumindest glauben das Verkehrsminister Andreas Scheuer und Digital-Staatsministerin Dorothee Bär.

Die beiden CSU-Politiker stellten sich am Montag als Kulisse zur Verfügung, um auf dem dortigen Rathausplatz mit viel Tamtam den „City Airbus“ zu präsentieren. Die von Airbus und Siemens entwickelte Taxidrohne soll von vier doppelten Mantelpropellern angetrieben werden und senkrecht starten und landen können. Soll – denn das futuristische autonome, elektrische Lufttaxi für vier Fahrgäste ist nur ein „Demonstrator“ und noch kein Prototyp. Dafür aber 2,2 Tonnen schwer, wobei die Akkus für bis zu 15 Kilometer Reichweite schon 650 Kilogramm wiegen. Ein Tieflader mit Dieselzugmaschine mußte den „City Airbus“ transportieren. Der Q7, der größte Audi-SUV mit Benzinmotor, bringt nur zwei Tonnen auf die Waage.

Audi und die Deutsche Bahn (DB) sind auch beim EU-Projekt Urban Air Mobility (UAM) dabei, das Flugtaxis auch in 14 weiteren europäischen Städten testen will. Damit die Steuergelder üppig fließen, gab sich Bernd Martens schon voriges Jahr optimistisch: „Flugtaxis werden kommen. Davon sind wir bei Audi überzeugt“, erklärte der Audi-IT-Vorstand anläßlich der „Pop.Up Next“-Lufttaxi-Vorstellung auf der „Drone Week“ im November in Amsterdam. „Gerade die Älteren, Kinder oder Menschen ohne Führerschein werden in Zukunft gerne bequeme Robotertaxis nutzen. Wenn wir es schaffen, Verkehr intelligent auf die Straße und den Luftraum zu verteilen, profitieren Städte und ihre Bewohner gleichermaßen.“

Das erklärt, warum die CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat die DB im Juli 2018 aufforderte, beim Neubau des dortigen Hauptbahnhofs „dafür zu sorgen, daß eine geeignete Fläche so gestaltet wird, damit darauf Flugtaxis starten und landen“. Es sei „zu erwarten, daß in wenigen Jahren die Technik so ausgereift ist, daß Flugtaxis für den Personentransport eingesetzt werden können“.

Das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik (KYB) in Tübingen ist ebenso von Steuergeldern abhängig. Daher sieht auch KYB-Direktor Heinrich Bülthoff autonome Flugtaxis „in greifbarer Nähe“. Er rechne bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts mit funktionierenden Exemplaren, schwärmte er am Montag in einem WDR-Interview. Bereits seit 2010 forscht Bülthoff dazu in einem EU-weiten Projekt.

Anhaltende Probleme bei den teilautonomen Pkws

Seit chinesische Ingenieure 2016 den „Ehang 184“ bei Windstille und Sonnenschein auf der „Consumer Electronics Show“ in Las Vegas vorstellten, sind auch Politiker begeistert. Die weltweit erste Passagierdrohne ist einsitzig, kann mit einer Akkuladung 23 Minuten lang fliegen, hat 100 Kilogramm Tragkraft und kommt auf Tempo 100. Mit acht Propellern an vier Armen ist er aufgebaut wie eine kleine Kameradrohne. Voriges Jahr hat der Hersteller Bejing Yi-Hang Creation Science & Technology angeblich 30 bis 40 davon gebaut.

Anders als angekündigt, haben in Dubai die Lufttaxis noch nicht ihren Liniendienst für die Scheichs aufgenommen. Ein zweisitziges Nachfolgemodell, der „Ehang 216“, ist aber in der Erprobung. Er soll bereits über tausend bemannte Flüge erfolgreich gemeistert haben. Der bisherige Streckenrekord liegt jedoch bei mageren 8,8 Kilometern. Bülthoff sprach von etwa 120 Firmen, die sich weltweit mit Passagierdrohnen beschäftigen. Die Unternehmensberatung Horváth & Partners glaubt sogar an 400 Start-ups. Es müsse sich allerdings „noch zeigen“, so Bülthoff einschränkend, „was dann wirklich funktionieren wird“.

Seit etwa zehn Jahren forschen auch große wie kleine IT-Firmen intensiv an Sensoren und Computersystemen, die Autos dazu befähigen sollen, autonom – also ohne menschlichen Fahrer – zumindest doch weitgehend ohne Eingriffe eines Fahrers – unterwegs zu sein. Doch noch immer kann kein solches High-Tech-Auto sicher und selbständig die Spur wechseln. Der Apple-Konzern, der unter dem Projektnamen „Titan“ an Systemen für autonomes Fahren arbeitet, hat sein Engagement in Forschung und Entwicklung bereits deutlich gedrosselt und 200 Mitarbeiter entlassen. In Arizona wurden Roboterautos, die dort im regulären Straßenverkehr getestet werden, bereits mit Steinen beworfen. Einer der sogenannten Sicherheitsfahrer, die im Notfall das Steuer übernehmen, sah sich gar mit einer Schußwaffe bedroht.

Die Stimmung gegen die Wunderautos von Google & Co. ist gekippt, seitdem es Unfälle mit Toten und Verletzten gab. Daran trugen zwar meist die Fahrer eine Mitschuld, weil sie sich blind auf den „Autopiloten“ verließen – der in Elektroautos von Tesla irreführenderweise so heißt – und sich nicht für ein Eingreifen im Notfall bereithielten. Audi ist da vorsichtiger und entwickelt zur Zeit einen „Staupilot“, der im stockenden Verkehr mit maximal Tempo 60 die Kontrolle übernehmen könnte. Und erschwingliche Toyotas lassen sich schon seit Jahren autonom einparken.

Aktuell drängen Audi & Co. indes ganz andere Probleme. Die ab 2020 drohenden EU-Strafen für den CO2-Ausstoß von Pkws sollen mit E- und Plug-in-Hybrid-Autos im Produktionsportfolio abgewendet werden – wenn sie denn Käufer finden. Audi präsentiert daher auf dem noch bis Sonntag geöffneten Genfer Auto-Salon zwei E-Autos (Q4 und GT e-tron) sowie gängige Benziner (A6, A7, A8, Q5), die einige Dutzend Kilometer batterieelektrisch fahren können. Und da die praxisfremden WLTP-Tests Hybride bevorzugen, werben solche Autos mit Verbräuchen von unter 2,5 Litern – und erfüllen so rein formal die EU-Norm von 95 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer.

Daimler hat sich einen Partner in China gesucht, mit dem ein E-Auto für den dortigen Markt produziert werden soll. Die eigene Kompetenz bei E-Fahrzeugen und „BYDs Expertise in Batterietechnologie sowie elektrischen Fahrsystemen sind eine perfekte Kombination“, erklärte Konzernchef Dieter Zetsche in Genf – und das scheint realistischer als jeder „City Airbus“.

Genfer Autosalon 2019:

 www.gims.swiss/

 www.airbus.com/